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Janina Jörgens

“Ach Asperger! Das ist ja nur die leichte Form!" ... - Leicht für wen???

Aktualisiert: 25. Juli




Ach Asperger! Das ist ja nur die leichte Form!


Mal ganz davon abgesehen, dass es die Unterscheidungen „frühkindlicher Autismus“, „Asperger Autismus“, „Atypischer Autismus“ nach den neuesten Diagnose-Standardwerken ja bald nicht mehr geben soll…


Leichte Form?


Leicht in Bezug auf was?


Die Ausprägungen sind völlig verschiedener Natur. Das stimmt. Deshalb ja nun auch die Anpassungen in den Handbüchern für Diagnostiker.

Dort heißt es jetzt nur noch „AutismusSpektrumStörung (ASS)“. 

(… und ja, ich hänge mich am Begriff „Störung“ ganz schön auf… Egal, das thematisieren wir ein anderes Mal…)


Bleiben wir bei den neuen Richtlinien. 

Nun heißt es also ASS:

- Mit oder ohne kognitive Beeinträchtigung

- Mit oder ohne sprachliche Beeinträchtigung


Als Asperger bezeichnete man klassisch die Menschen ohne nennenswerte kognitive und sprachliche Einschränkungen.


„Die leichte Form“… ????


Leicht für wen?


Ja, die Ausprägungen in den Bereichen Kognition und Sprache sind „leichter“… Aber sonst?


Im echten Leben kann es durchaus deutlich schwerer für die Betroffenen und ihre Familien sein!

Klingt komisch? Ist aber so! 


Denn so ist die unsichtbare Behinderung „Autismus“ nur noch unsichtbarer.

Dadurch werden passende Diagnosen evtl. noch viel später gestellt und mögliche Hilfen laufen erst umso später an.

Dadurch wird das Unverständnis von Außenstehenden nur noch größer und für die Betroffenen noch schmerzhafter und unhilfreicher… 

(„Also bitte, das Kind ist schon 13 und kommt immer noch regelmäßig mit nasser Hose aus der Schule????“ „In der 5 Klasse im Gymnasium - aber noch nichts von Umgangsformen gelernt, was? Nun gib schon die Hand zu Begrüßung!“, „Nachteilsausgleich? Warum das denn? Das ist so ein toller Schüler! Und wenn er zu Hause angeblich immer so ausrastet… na, da stimmt wohl was bei Ihnen zu Hause nicht…?“)


Die Menschen mit dieser Autismus-Ausprägung hadern oft böse mit sich selbst. Sie stellen sich und die Welt in Frage, wollen mitmachen und dabeisein. 

Sie beobachten ihre Mitmenschen und fragen sich in einem fort: Warum bin ich anders? Warum schaffe ich das nicht? Warum sieht das bei denen immer alles so einfach aus?


Durch die oftmals erst spät gestellten Diagnosen haben Burnout, Depression und Angststörungen „freie Bahn“. Die ständige Überbelastung, der undiagnostizierte Autisten ausgesetzt sind, die Überreizungen, die nicht richtig eingeordnet werden können, die überhöhten Erwartungshaltungen (von Außen aber auch von den Betroffenen an sich selbst), sind irgendwann nicht mehr kompensierbar. Dann folgt unweigerlich ein Zusammenbruch. Daher haben wir besonders hohe Fallzahlen von Frauen, die im (frühen) Erwachsenenalter in psychiatrischen Kliniken als Notfälle mit Burnout, Depression oder Ähnlichem aufgenommen und in der weiteren Folge erst als Autistinnen diagnostiziert werden.

Ja – sie haben „vorher“ „gut“ funktioniert… 

Aber sie haben stetig ihre eigenen Bedürfnisse verleugnet, nötige Ruhe nicht eingehalten, sozial angepasst gehandelt. Um sozial angepasst handeln zu können muss man als Autist nicht nur enorme, willentliche Anstrengungen unternehmen sondern zunächst einmal unglaublich viel lernen. Alles das kostet Energie! Viel Energie! Und die steht nun mal nicht unbegrenzt zur Verfügung! Selbst ein Ferrari kann mit leerem Tank nicht fahren und muss schlimmstenfalls zur Tankstelle geschoben werden….

(Zur „Löffeltheorie“ wird es hier sicher auch noch mal einen Beitrag geben.)


Jeder kennt Tage, an denen man weniger Kraft hat, müde ist – vielleicht von einer besonderen Anstrengung, wie z.B. einem Umzug. Dann schafft man in den folgenden Tagen mal nicht so viel wie sonst, aber jeder hat Verständnis, wenn man erklärt: I“ch bin gerade vorgestern umgezogen.“. Denn das kennt jeder und das hat jeder schon mal mitgemacht.


Sich in eine autistische Wahrnehmung hineinzuversetzen ist da schon deutlich schwieriger. Denn da ist gleich ganz vieles auf einmal nicht mehr selbstverständlich… 


Hier hilft nur: nachfragen und beobachten. 

Beobachtet eure Mitmenschen und auch euch selbst! 

Wann geht es euch gut? 

Wann geht es euch nicht gut? 

Was braucht ihr, um aufzutanken?

Das sind meine ersten Fragen, wenn ich Klienten kennenlerne. Hierzu nehmen wir uns einige Wochen Zeit.


Denn tatsächlich gelingt es Menschen mit dem ehem. Asperger-Autimus oft „erschreckend“ gut, zu maskieren. Sie schaffen es so gut, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken und zu verstecken und sich der „normalen“ Welt anzupassen, dass die nach einigen Jahren gar nicht mehr wissen, was denn ihre wirklichen Bedürfnisse überhaupt sind und was ihnen gut täte, um sich wieder „aufzutanken“.


Und tatsächlich geht das in dem sich immer schneller drehenden „Hamsterrad“ in unserer westlichen Welt immer mehr Menschen so!


Also hinterfragt das alles mal! 

Seid lieb zu euch und bleibt neugierig aufeinander! 

🍀


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