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Janina Jörgens

Barrieren in der Erfüllung von Grundbedürfnissen


Kleinkind beim Essen


Was genau sind Grundbedürfnisse? Jeder wird vermutlich andere Prioritäten setzen, aber allgemein werden genannt: essen und trinken, schlafen, Gesundheit und Gemeinschaft.

 

Tatsächlich braucht unser Körper gewisse Dinge, um gut (über-)leben zu können. 

Als körperliches Grundbedürfnis dürfen wir also essen, trinken und Schlaf ansehen. In zweiter Reihe dann auch die Gesundheit bzw. die Erhaltung derselben, denn nur gesund können wir möglichst schmerzfrei und unbelastet unseren Alltag bestreiten.

 

Aber was tun, wenn selbst die Erfüllung der Grundbedürfnisse nicht gelingt!?

 

Gehen wir die Teilbereiche mal aus neurodivergenter / autistischer Sicht durch.

 


Essen und trinken

Hierzu hatten wir schon einige Artikel veröffentlicht.

Essen und auch trinken ist für neurodivergente/ autistische Menschen nicht so selbstverständlich…

 

Hier mal eine Auswahl an möglichen Barrieren:

Es kann sein,

  • dass kein Hunger- und/oder kein Sättigungsgefühl vorhanden ist.

  • dass Hunger als Übelkeit interpretiert wird.

  • dass nur wenige, ausgewählte Lebensmittel als sogenannte Safe-Foods akzeptiert werden.

  • dass manche - insbesondere harte und knusprige- Lebensmittel beim Essen als „zu laut“ empfunden  werden.

  • dass manche Konsistenzen als unangenehm oder sogar eklig empfunden werden.

  • dass unter erhöhtem Stress essen nicht möglich ist - und dieser zusätzliche Stress kann ausgelöst werden durch andere Menschen, eine andere Umgebung, Geräusche, Gerüche, verändertes Setting, anderes Geschirr oder Besteck und, und, und…

  • dass Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien unangenehme körperliche Reaktionen auslösen, die durch ein hochsensibles Nervensystem als deutlich gravierender empfunden werden, als man es sich vielleicht als Außenstehender vorstellen kann…

  • dass manche Medikamente den Appetit einschränken.

  • dass zusätzliche Diagnosen, wie z.B. PICA-Syndrom vorliegen.

  • dass eine Depression vorliegt, denn auch hier kann Appetitlosigkeit ein Symptom sein.

  • dass Regeln verabsolutiert werden. Z.B. fällt vielleicht in einer Fernsehsendung über gesunde Ernährung der Satz: „Man soll nicht zuviel Zucker essen“ - und in der Folge werden alle Lebensmittelpackungen auf enthaltenen Zucker geprüft und womöglich abgelehnt…

  • und vieles mehr

 

 

Schlafen

Auch hier gibt es sehr viele Probleme im Leben autistischer Menschen. Es kann Schwierigkeiten beim Ein- und/oder Durchschlafen geben. Wer immer wieder viel zu spät in den Schlaf kommt oder ständig nachts erwacht, wird immer weniger resistent gegen Stress…

 

Aber warum ist schlafen so oft so schwierig? Wo liegen hier mögliche Barrieren?

Nun, es kann sein,

  • dass der Übergang von wach sein zu schlafen schwierig ist. Der Tag war doch so toll! Warum ist das jetzt vorbei?

  • dass die scharfe Zahnpasta das Nervensystem so hochgefahren hat, dass an Schlaf nicht mehr zu denken ist…

  • dass die Bettwäsche frisch gewaschen wurde und anders riecht.

  • dass Träume nicht als Träume interpretiert werden. Albträume können also verständlicherweise Panik verursachen.

  • dass der Körper nicht ausreichend Melatonin bilden kann.

  • dass manche Medikamente Schlafstörungen verursachen können.

  • dass es viel zu viele Reize vom Tag zu verarbeiten gibt.

  • dass es unangenehm ist, flach zu liegen. Das Blut rauscht dann oft unangenehm laut in den Ohren - zudem es ja plötzlich sehr dunkel und still ist..

  • dass der nächste Tag bereits jetzt für Sorgen, Angst und Kummer sorgt, weil irgendetwas ansteht, was nicht ganz geklärt ist.

  • dass das Abendessen im Bauch rumort.

  • dass die Nacht für manch hochsensiblen Menschen deutlich angenehmer ist, als der Tag. Es ist ruhiger, man wird nicht gestört, die Sonne blendet nicht… „Jetzt könnte ich endlich in Ruhe die Welt erleben!“

  • und vieles mehr…

 


Gesundheit

Nun kommen wir in den Bereich von Prävention, Ärzten, Hygiene und so weiter..

Es kann sein,

  • dass Zahnpasta mit kaltem Wasser ausgespült Schmerzen verursacht.

  • dass körperliche Untersuchungen als Übergriff, als völliger Kontrollverlust erlebt werden.

  • dass dadurch sogar notwendige Arztbesuche nicht vorgenommen, Schmerzen, Probleme, Krankheitsanzeichen verschwiegen werden.

  • dass allein der Geruch von Arztpraxen Panik auslöst.

  • dass frisch gewaschene Textilien auf der Haut nicht ertragen werden.

  • dass die Tropfen aus der Dusche als schmerzhaft empfunden werden.

  • dass allein die Ankündigung vom Besuch des Schulzahnarztes Panik verursacht.

  • dass der Geruch von Waschmittel, Seife, Duschgel, Deo etc. als äußerst unangenehm empfunden wird.

  • und vieles mehr.

 

 

Gesellschaft

Hmm, Gesellschaft bedeutet: andere Menschen… nun:

Es kann sein,

  • dass Menschen als zu laut, zu schnell, zu verwirrend, zu anstrengend empfunden werden.

  • dass Stimmungen anderer Menschen übertragen werden. Wenn ein Klassenkamerad ausgeschimpft wird, wird dies empfunden, als wenn es einem selbst widerfährt.

  • dass Körperkontakt abgelehnt wird.

  • dass der Atemhauch anderer Menschen als unangenehm empfunden wird.

  • dass andere Menschen als potentielle Überträger von Krankheiten gesehen werden.

  • dass man sich selbst nicht ausreichend verständlich machen kann.

  • dass soziale Regeln nicht entschlüsselt werden können, und Menschen somit äußerst verwirrend oder gar bedrohlich wirken können.

  • und vieles, vieles mehr…

 


So viele mögliche Barrieren allein zu den Themen der Grundbedürfnisse. Wie frustrierend ist es, wenn noch nicht einmal diese „einfach“ erfüllt werden können? Für alle Beteiligten!

 

Diese Aufzählungen hier sind bei weitem nicht vollständig - wie könnten sie?

Sie sollen euch aber als Ansatzpunkte dienen bei der Detektivarbeit nach euren individuellen möglichen Ursachen…

 

Beobachtet, fragt nach!

Erst dann könnt ihr euch auf die Suche nach möglichen, hilfreichen Alternativen machen - oder auch ein mögliches „Geht nicht“ besser akzeptieren.

 

Bleibt neugierig!

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