Eine meiner Klientinnen, nennen wir sie Lara (Name geändert), frühkindliche Autistin mit häufigen und starken Epilepsieanfällen, kognitiv eingeschränkt, 10 Jahre, gerät oft schon im Eingang zum Therapiezentrum mit ihrer Mutter in Streit. Oft geht es darum, dass Lara sich weigert ihre Mütze - oder im Sommer auch ihr Käppi - auszuziehen.
Ihre Mutter vertritt dabei die Ansicht, dass es sich einfach nicht gehört, in geschlossenen Räumen eine Kopfbedeckung zu tragen.
Nun, ich selbst sehe das deutlich entspannter… bin ein Kind des Rheinlands und vertrete das Prinzip: warum nicht? Solang es niemandem schadet…
Lara wird allerdings immer lauter und ungehaltener… sie hält die Mütze mit beiden Händen fest, schreit laut "Nein!!! Nein!!!! Mütze an!!!!".
Manchmal ‚gewinnt‘ Mama und nimmt die Mütze dann ‚sicherheitshalber‘ mit, manchmal gewinnt Lara und die Mütze bleibt auf dem Kopf.
In der Therapie nimmt sie sie meist irgendwann von selbst ab- einfach weil es zu warm wird.
Aber dann geht’s los!
Die Konzentration ist wie weggeblasen.
Lara wird unruhig, zappelt, fasst mit den Händen ständig an ihren Kopf, reißt sich unkontrolliert Haargummis und Haarspangen heraus- mit jeder Menge ausgerissenen Haaren daran! 😳
Die Haargummis und -Spangen hält sie mir dann hin und bittet darum, wieder einen Pferdeschwanz oder Zöpfe zu machen.
Das tue ich - aber kaum ein oder zwei Minuten später reißt sie wieder allen Haarschmuck heraus und das Spiel beginnt von vorn….
Was passiert da???
Nun - eigentlich ganz einfach: Lara weiß, was ihr gut tut!
Und das weiß sie besser als wir Erwachsenen!
Lara reagiert sehr empfindlich auf leichte Berührungen. Auch sie selbst kann ihre Kraft häufig nicht angemessen dosieren.
Und ihre Haare kitzeln sie…
Das nervt und Lara möchte das ungute Gefühl loswerden - also sollen die Haare neu zusammengebunden werden…
… oder die Mütze auf dem Kopf soll die Haare zusammenhalten!
Aha!!!!
Na - wenn das so ist…
Wir haben das in der Therapie dann gleich mal ausprobiert und ich habe ihr ein ‚Piratenkopftuch‘ angeboten. Das ist nicht so warm wie die Mütze, verdeckt aber die störenden Haare.
Und siehe da: Lara puzzelt hochkonzentriert und ohne jede Ablenkung mehrere Puzzles nacheinander!
Da stand ich wieder einmal staunend und durfte erneut feststellen, wie wichtig es ist, die Kinder einfach in Ruhe zu beobachten und ihr Verhalten möglichst aufmerksam, wertfrei und kreativ zu hinterfragen.
Denn meist hat das Verhalten, und sei es auf den ersten Blick noch so ‚eigenartig‘, ‚sinnlos‘ oder ‚herausfordernd‘ einen Grund. Und oft liegt in genau diesem Verhalten eine mögliche Lösung für etwaige Schwierigkeiten…
Und wieder einmal passt unser Schlusswort ganz hervorragend:
Bleibt neugierig aufeinander! 😊
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