Andrea, 40 Jahre jung, seit vergangenem Jahr diagnostizierte Asperger-Autistin, berichtet im Coaching, dass sie nicht gern auf Partys geht und auch noch nie gern zu solchen Veranstaltungen gegangen sei! Dabei hätte sie durchaus ab und zu mal Lust dazu, „mal so richtig zu feiern“.
„Schon als Kind bin ich regelrecht in Panik geraten, wenn eine der Mitschülerinnen mit Einladungsbriefen durch die Klasse gegangen ist. Ich habe dann auf ein Programm geschaltet: Lächeln, sagen: „Oh! Eine Einladung zu deinem Geburtstag! Das ist aber nett, danke! Ich muss erst meine Eltern fragen!“, atmen, bis zum nächsten Tag eine Ausrede einfallen lassen…“
Ich kann Andrea verstehen! Mir ging es immer ähnlich…
Egal wie gern ich die Menschen, die mich einladen, mag… Einladungen bedeuten Stress.
Und dieser Stress geht weit über die Frage „Was soll ich nur anziehen!?“ hinaus!
Es türmen sich tausende von Fragen auf: Wer ist sonst noch eingeladen? Kenne ich jemanden dort? Ist vielleicht jemand da, den ich nicht leiden kann? Wird es etwas zum Essen geben oder sollte ich vorher etwas essen? Was wird es zu essen geben? Was wird es zu trinken geben? „Darf“ ich nur Wasser trinken oder werde ich dann wieder komisch angeschaut? Was soll ich anziehen? Wird es dort warm sein oder eher kühl? Wird getanzt? Soll ich ein Geschenk oder eine Aufmerksamkeit mitbringen? Ist das angemessen? Was wäre angemessen? Mit wem soll ich reden? Mit wem muss ich reden? Über was soll ich reden? Wird es dort laut sein? Wird es dort voll sein? Wie lange soll ich bleiben? Ab wann dürfte ich mich zurückziehen? Wie kann ich es begründen, wenn ich früher nach Hause möchte? Muss ich es überhaupt begründen? Bei wem müsste ich mich dann verabschieden?... Und so weiter…
Wir sind im Coaching ja gern lösungsorientiert und so frage ich Andrea:
„Wie müsste denn eine Party sein, auf die du dich freuen würdest?“
„Egal.“, sagt sie. „Partys finde und fand ich schon immer blöd. Egal ob Weihnachten, Geburtstag, Schulabschluss… - außer natürlich Motto-Partys.“
Ich horche auf.
„Motto-Partys - ok. Was ist da anders?”
“Naja…”, setzt Andrea an. “Da muss ich schon mal nicht groß überlegen, was ich anziehe… also, klar muss ich mir was einfallen lassen, aber das ist ja durch das Motto schon soweit vorgegeben, da kann man ja nichts mehr falsch machen! Und wenn man dann im Kostüm schwitzt, ist das Kostüm schuld!“ Andrea lacht. „Die Leute - also erwachsene Leute, - die zu solchen Partys gehen, haben meist auch irgendeinen kleinen bis mittelgroßen Knall - sonst wären sie vermutlich nicht auf einer Motto-Party.“ Sie lacht und schüttelt amüsiert den Kopf. „Meist kennt man auch den einen oder anderen auf solchen Veranstaltungen. Und man hat durch das Motto und auch die Kostüme eigentlich immer gleich was, worüber man sich unterhalten kann. Viele Probleme, die ich sonst auf Partys habe, fallen da einfach weg!“
Hmm - da ist viel Wahres dran… Das erklärt womöglich auch für einige Menschen, warum Conventions, Roll-Play, Cosplay, etc. so beliebt sind.
Wahrscheinlich war ich deswegen auch ein großer Kostüm-Fan!
Als Kind habe ich es geliebt, mich zu verkleiden, hatte immer eine gut gefüllte „Verkleidungskiste“, aus der ich mich zu jeder Zeit gern bedient habe. Und an Karneval waren immer die Kostüme am besten, in denen mich am Ende niemand mehr erkannt hat.
Ich fand es großartig, auch noch im Erwachsenenalter, am liebsten allein auf Karnevalsveranstaltungen zu gehen und ausgelassen zu tanzen - ganz ohne Anspruch darauf, „schön“ zu tanzen. Meine Kostüme haben mich da hervorragend unterstützt: Monster, Wasserspeier, Werwolf… ;-) Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, eine Kostümierung zu wählen wie Prinzessin, Bienchen oder Clown…
Andrea lächelt. „Das ist eine gute Idee! Bald habe ich Geburtstag - ich glaube, ich mache eine… Mafia-Party! Au ja ich könnte ja…“ und sie entwarf im Handumdrehen einen detailreichen Plan inklusive Ideen für das Buffet, die Kostüme und die Musikauswahl. Sie lächelt verschmitzt, als sie überlegt, wen sie zu der Feier einladen könnte. „Vielleicht kristallisieren sich ja dadurch wieder ein paar Menschen heraus, die mein neues, buntes Leben mitgehen wollen.“
Ich liebe es, mit meinen Klienten die verschiedensten Lebensbereiche zu beleuchten und zu hinterfragen. Und ich liebe es, über welche vermeintlichen Umwege die schönsten Ziele erreicht werden!
Es ist immer spannend!
Bleibt neugierig!
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