top of page
Janina Jörgens

"Ja, ja..." - Wenn späte Diagnosen nicht anerkannt werden


Schrift: Autismus Diagnose


Immer wieder erzählen mir erwachsene Autisten, die ihre Diagnosen erst im späteren Alter erhalten haben, wie enttäuscht sie von ihrem Umfeld sind, von ihren Freunden, Bekannten und Verwandten.

 

Denn die können oftmals mit einer Diagnose nur schwer umgehen.

 

Manch einer trifft nach Bekanntgabe vielleicht auf ein joviales: „Das hab´ ich schon immer gewusst… Siehste!“

Das wirkt im ersten Moment immerhin entgegenkommend.

 

Oftmals bekommt man jedoch auch Dinge zu hören wie: 

„Bist du sicher, dass das stimmt?“,

„Ach komm, das kann ja jetzt auch nicht so schlimm sein - hast ja bisher auch immer alles geschafft.“, 

„Wie? Das kann nicht sein. Das hätte man doch viel früher gemerkt…“

 

Solche Äußerungen sind in mehrfacher Hinsicht schmerzhaft.

 

Zum Einen sprechen sie jeglichen Leidensdruck ab. 

Zum Anderen lassen sie kein Hilfeangebot erkennen. 

Zudem wird im weiteren Verlauf meist nicht mehr nachgefragt. Das Leben geht einfach „ganz normal“ weiter.

 

Oft werden Gesprächsbedarfe abgetan. 

Dabei stellen sich nach einer späten Diagnose so viele Fragen für die Betroffenen.

 

  • Wer bin ich?

  • Warum hat niemand früher die Diagnose erkannt?

  • Was wäre aus mir und meinem Leben geworden, wenn ich die Diagnose früher bekommen hätte?

  • Usw.

 

Spät diagostiziert bedeutet erst einmal, sich selbst neu kennenzulernen. Es bietet die Chance, seine Bedürfnisse kennenzulernen, sie sich möglicherweise zum ersten Mal im Leben zu erlauben.

 

Wer sich aber plötzlich „herausnimmt“, Geburtstagsfeiern abzusagen, von Grillabenden früher zu verschwinden, sich mehr Pausen zu nehmen, das Telefon abends stumm zu schalten…, der wird möglicherweise „schräg angeschaut“.

 

„Du musst dich jetzt da aber auch nicht drauf ausruhen!“

„Das hast du doch bisher nicht gebraucht/ gemacht.“

„..und wegen deiner „Diagnose“ müssen sich jetzt alle um dich herum anpassen, oder wie?“

 

… ganz ehrlich? Ja - wäre schon schön…

Es wäre wunderbar, in seinen Sorgen ernst genommen zu werden.

Es wäre sehr dankenswert, Unterstützung angeboten zu bekommen.

Es wäre grandios, wenn sich die Menschen um einen herum für die Diagnose interessieren würden.

 

Denn tatsächlich ist Autismus eine lebenslange Diagnose.

Man ist nicht „auf einmal autistisch“.

 

Auch mit der Diagnose Autismus ist man derselbe Mensch wie vorher - vielleicht ein Stückchen bewusster…

 

Dieses Bewusstsein ist jedoch gerade am Anfang sehr fragil. Es muss sich erst festigen. Man darf die Diagnose annehmen und sich mit ihr arrangieren.

 

Das ist alles andere als leicht und es wäre absolut fantastisch wenn sich die Menschen, die einem nahestehen, mit auf diesen Weg machen und die „Spätdiagnostizierten“ dabei unterstützen würden.

 

In diesem Sinne: Bleibt neugierig aufeinander!

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page