Glücklicherweise bin ich kleidungstechnisch eher der Basic-Typ.
Muster, Rüschen, Bändel, Pailletten, Aufdrucke mag ich an mir selbst nicht.
Und viele meiner Klienten sind auch von auffälliger Kleidung äußerst abgelenkt.
Nun höre ich auch immer wieder Bemerkungen wie: „Da muss man sich aber auch mal dran gewöhnen. Es können sich ja jetzt nicht alle Menschen langweilig anziehen - nur weil das manchen Autisten nicht so passt.“
Ähm… ja…
Und auch hier darf glücklicherweise jeder selbst entscheiden…
Ich kann über die Befindlichkeiten meines Gegenübers hinweggehen. Klar, das ist meine Entscheidung.
Dann darf ich mich aber auch nicht wundern, wenn mein Gegenüber mir nicht gut zuhören kann, nicht ungestresst in meiner Nähe bleiben kann, unruhig, unglücklich oder unzufrieden ist… - dann darf ich mich fragen, ob der voluminöse Schal mit Blumenmustern das wert ist…
Ich trage meist Kleidungsstücke ohne Muster. Aber durchaus gern farbenfroh. Und ja, ich überlege morgens, wen ich heute treffen werde - und wenn das z.B. Tom ist, dann vermeide ich an diesem Tag orange.
Tom hat mir bei unserem zweiten Treffen, als wir zusammengetragen haben, was wir nicht mögen, sehr deutlich gemacht, wie schlimm für ihn die Farbe orange ist. Gegenstände in orange sorgen für ein Flimmern in seinen Augen, er kann dann den Gegenstand nicht klar erkennen und bekommt Luftnot und Herzrasen.
Oha!
Ja, genau: Es kann eine gute Idee sein, miteinander zu sprechen und vor allem: einander aufmerksam zuzuhören. Und wenn man es schafft: zu akzeptieren.
Ich finde es wichtig, dass meine Klienten entspannt sein können in meiner Anwesenheit.
Denn: Wir arbeiten an anstrengenden Inhalten. Diese Inhalte sind schon fordernd genug.
Wenn ich Tom schon an den Rand seiner Toleranz bringe, indem ich einen orangen Pulli anziehe, wie kann er sich dann auf weitere, womöglich ebenfalls triggernde Inhalte auch nur einlassen…?
Ich entscheide also morgens stets, wie ich mich kleide. Wieviel kann, möchte und darf ich meinen Klienten abverlangen?
Eine Besonderheit sind meine Socken. ;-)
??? Was Socken??? – Ja, richtig gelesen. ;-)
Ich trage aus Überzeugung sogenannte „Miss-Match“- Socken. Diese gehören thematisch durchaus zusammen, sind aber nicht gleich. ;-) Z.B. zeigt der eine Socken Schildkröten und der andere ist im Schildkrötenmuster gemustert.
Vorteil - die Socken sind so lange nicht zu sehen, wie ich das entscheide.
Habe ich einen Klienten, der davon stark irritiert wäre, bleiben sie unsichtbar.
Habe ich Klienten, die ich in ihrer Toleranz mal etwas fordern möchte, „rutschen“ vielleicht die Hosenbeine „ganz zufällig“ hoch…
(Socken waren schon sehr oft heißer Diskussionsgegenstand! ;-)
Habe ich Eltern, denen ich gern nahebringen möchte, dass man „seine Kämpfe“ bewusst wählen darf, lass ich auch meine Socken aufblitzen.
Denn wie oft werden schon morgens beim Verlassen des Hauses riesige, kraftzehrende Diskussionen geführt, weil die Kinder womöglich unterschiedliche Socken an den Füßen haben… Ganz ehrlich: Na und??? In meinem Empfinden sind Socken wirklich nicht „lebensentscheidend“.
Tatsächlich habe ich eine Klientin, die bereits seit dem Kindergarten immer einen roten Socken am rechten Fuß trägt und eine andere Farbe am linken Fuß.
Warum tut sie das?
Weil sie immer wieder Schwierigkeiten hat, rechts von links sicher zu untertscheiden. Was für eine kluge Idee, oder?
Und wieder Mal ist es eine gute Idee, sich über vermeintliche „Eigenartigkeiten“ zu unterhalten.
Denn meistens steckt dahinter ein Sinn.
Bleibt also neugierig aufeinander!
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