Nein.
Nein, ich muss mich nicht erklären. Nicht für meine Stärken, nicht für meine Schwächen, nicht für meine Behinderung, nicht für mein Sein.
Nicht, wenn ich das nicht will!
Aber es kann gut sein, wenn man es kann!
Es kann hilfreich sein, sich zum sogenannten Experten in eigener Sache zu machen.
Insbesondere für neurodivergente Menschen, für Autisten, AD(h)S´ler, Hochsensible kann das interessant und wichtig sein.
Zum Einen sind alle die oben genannten Neurodivergenzen unsichtbar - das gilt darüber hinaus ja auch für die meisten psychischen „Störungen“.
Das bedeutet, dass von außen niemand erahnen kann, dass manche Dinge für mich womöglich eine besondere Herausforderung darstellen. Niemand sieht die Angst, die Überreizung, die Anstrengung, die eine Person aus dem autistischen Spektrum bei „alltäglichen“ Aufgaben bewältigt.
Permanent erhöhte Anpassungsleistungen werden also nicht erkannt.
Es bedeutet zusätzlich auch, dass die Anforderungen, die von außen gestellt werden, nicht angepasst werden… weil ja niemand eine „Behinderung“, eine „Störung“, einen möglichen Hilfebedarf erkennen kann.
Einer Überforderung kann also, wenn diese nicht benannt wird, von außen möglicherweise nicht schnell genug oder ausreichend vorgebeugt werden.
Zum Anderen weiß die neurotypische Welt noch immer erschreckend wenig über das Thema Autismus.
Immer noch trifft man allerorten auf längst überholte Annahmen wie. z.B.: Autismus wird durch Impfungen ausgelöst, Autisten wollen keine Freunde haben, Autisten können keinen Blickkontakt aufnehmen, Autisten sind Computergenies….
Stereotype „Bilder“ aus den Darstellungen wie Rainman oder Sheldon Cooper haben sich als Blaupause in den Köpfen der Mehrheit festgesetzt.
Wenn einem dann jemand „ganz normal“ im Büro gegenübersitzt und „behauptet“ eine Autismusdiagnose zu haben, dann hört man gern mal Äußerungen wie: „Echt? Sieht man dir ja gar nicht an…“
Hier kann es eine Entlastung sein, wenn man sich bereits im Vorfeld mit sich und „seinem Autismus“, also der Art, wie sich das Spektrum bei einem selbst bemerkbar macht, auseinandergesetzt zu haben. Denn dann kann man, ohne groß nachdenken zu müssen, hilfreich Erklärungen anbieten und für Aufklärung und hoffentlich Verständnis sorgen.
Und dann wird eine Selbstwirksamkeit möglich! Dann kann ich mir selbst helfen - indem ich mich vielleicht doch erkläre…
Wenn ich nicht möchte, dass meine Umwelt und meine Mitmenschen von meinem Autismus erfahren - dann ist das völlig in Ordnung.
Ich muss niemandem davon erzählen - und da Autismus unsichtbar ist, kann das auch gut gelingen.
Wenn ich in einem Umfeld leben kann, welches optimal auf mich und meine Bedürfnisse eingestellt ist, brauche ich mich ebenfalls nicht zu erklären… dann läuft alles „wie von selbst“, dann kann ich einfach ich sein.
Wenn ich aber als neurodivergenter Mensch in einer neurotypischen Welt auf lange Sicht gut für mich sorgen möchte, kann es nicht schaden zu lernen, wie ich eigene Überreizungen erkennen kann, wann ich Pausen brauche, welche Art von Pausen mir gut tun.
Dies kann ich für mich selbst tun - und muss mich nicht erklären.
Oder aber, ich hole mir meine Mitmenschen heran, erkläre mich, kläre auf und kann womöglich etwas leichter auf Hilfen und Unterstützung zurückgreifen.
Welchen Weg ein jeder geht, das bleibt eine individuelle Entscheidung.
In diesem Sinne: Bleibt neugierig auf euch und aufeinander.
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