Autismus und Ernährung.
Eines der Dauerbrenner-Themen.
Oftmals beobachten wir bei Menschen im autistischen Spektrum Besonderheiten bezüglich ihrer Essens-Gewohnheiten.
Manchmal werden verschiedene Konsistenzen als sehr unangenehm empfunden und daher wenn möglich gemieden. Da kann es z.B. passieren, dass jemand flüssige Sahne durchaus gern mag, Schlagsahne hingegen sofort angewidert ausspuckt.
Es kann sein, dass diverse Essensgerüche als zu extrem wahrgenommen werden. Einige Nahrungsmittel könnten also allein wegen ihres Geruchs abgelehnt werden. Oftmals werden Speisen dann auch eher kalt bevorzugt, da sie dann weniger stark riechen.
Auch das Geschirr, das Besteck oder das generelle Essens-Setting kann eine große Rolle spielen.
Letztens las ich einen Aufruf einer verzweifelten Mama, die deutschlandweit ein bestimmtes Kindergeschirr aufkaufte, da ja immer mal wieder Teller kaputtgehen und ihr Sohn aber von keinem anderen Teller essen möchte…
Manche Kinder essen nur, wenn nebenbei ein Tablet mit der Lieblingsserie läuft - na, erklären Sie das mal Außenstehenden….
Manchmal werden die Nahrungsmittel, die als sogenannte „Safe Foods“ akzeptiert werden so stark eingeschränkt, dass durchaus die Sorge bzgl. möglicher Mangelernährung etc. aufkommen kann.
Die Safe-Food-Klassiker sind oftmals Chicken Nuggets, Maisstangen, Salzcracker, Nudeln „ohne alles“, Toast ohne Rinde…
Insgesamt also leider häufig hoch verarbeitete Lebensmittel, gern auch FastFood… Also leider selten die Dinge, die man auf den Empfehlungspostern in den Wartezimmern der Kinderärzte sehen kann…
Warum ist das so?
Diese Nahrungsmittel haben eines gemeinsam: Sie schmecken immer gleich! (Ok, „immer“ stimmt so allgemein natürlich auch nicht! Jeder, der einmal erleben musste, was es bedeutet, wenn die bevorzugte Nudelsorte aus dem Sortiment genommen wurde und man versucht hat, „einfach“ die Hartweizennudeln der anderen Firma anzubieten, weiß, was ich meine…)
Aber sie sind relativ geschmacksneutral und „geschmacksstabil“.
Sie sind also „vorhersehbar“ und somit sicher.
Ganz anders sieht es eben bei Obst und Gemüse aus!
Ein roter Apfel aus ein und demselben Gebinde kann ganz anders schmecken als sein direkter Nachbar… Der eine Apfel ist süß und saftig. Der andere hingegen mehlig oder sauerer.
Erdbeeren im Sommer von den heimischen Feldern (süss, saftig und aromatisch duftend) und die gleichnamigen Früchte, die man im Winter kaufen kann (wässrig, geruchs- und geschmacksneutral), scheinen 2 völlig unterschiedliche Obstsorten darzustellen.
Auf was bitte soll man sich da verlassen können? Auf was soll man sich geschmacklich einstellen…? Nein danke! Dann lieber nicht!
Tatsächlich sind auch im Bereich Obst und Gemüse die häufig vertrauenerweckendsten Kandidaten: Bananen, Gurken, Kartoffeln. Allesamt mässig hinsichtlich ihrer Geschmacksintensität.
Selbstverständlich gibt es auch die ASS-Kinder, die zu Lebensmitteln greifen, die wir als Erwachsene ihnen vielleicht nicht angeboten hätten… Tatsächlich hatte ich eine Klientin, die Gemüsezwiebeln wie Äpfel gegessen hat, ohne das Gesicht zu verziehen in Zitronen biss und der man mit ein wenig Chilli beinah jedes Gericht schmackhaft machen konnte… (Auch hier ist natürlich Vorsicht geboten! Denn hier liegt evtl. eine Unterempfindlichkeit im Bereich des Geschmacks vor, die auch gefährlich werden kann. Denn unser Geschmackssinn bewahrt uns im Normalfall vor dem (übermässigen) Verzehr von unverträglichen Dingen.)
(Am Rande erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch das PICA -Syndrom. Hier werden Dinge verzehrt, die nicht essbar sind, wie z.B. Sand, Papier, Erde uvm. Dies stellt eine immer mal wieder u.a. im Zusammenhang mit Autismus beobachtete qualitative Essstörung dar.)
Warum also manche Nahrungsmittel abgelehnt und andere bevorzugt werden ist wie immer eine sehr individuelle Angelegenheit.
Da eine ausreichende und möglichst abwechslungsreiche Ernährung allerdings durchaus wichtig ist, ist hier eine besonders behutsame und intensive Beobachtung angemessen!
Wir müssen uns an die Wahrnehmungsbesonderheiten herantasten und sehr einfühlsam und druckfrei die Auswahl der Safe Foods versuchen zu erweitern.
Nebenbei gilt es das Essen-Setting zu beobachten und ggf. anzupassen.
Denn ein „Warten Sie einfach ab, irgendwann bekommt er schon Hunger!“ hat hier leider noch nie geholfen…
In diesem Sinne:
Bleibt neugierig aufeinander 🍀
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