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Janina Jörgens

PANDA-Strategien (Teil 4): Disguise & manage demands - Verschleiern und managen von Anforderungen

Aktualisiert: 15. Aug.


Panda


Unsere westliche Welt steckt voller Anforderungen. Wir sind leider geprägt durch Glaubenssätze wie: „Höher - schneller - weiter!“, „mehr ist besser“, „„kann ich nicht“ heißt „will ich nicht““ und so weiter und so fort…

Manchmal schaffen wir es in der kleinen Kernfamilie noch ein paar Jahre in einem möglichst entschleunigten und friedlichen Miteinander. 

Spätestens jedoch, wenn Institutionen wie Kindergarten oder Schule ins Leben treten, beide Eltern wieder zurück im Job sind, wird es eng - und immer enger…

 

Meist werden Kinder erst ab dem Kindergartenalter als „auffällig“ in der Kinderpsychiatrie oder einem SPZ vorgestellt.

Nicht unbedingt die Kinder haben sich zu diesem Zeitpunkt verändert… es ist ihre Reaktion auf die Anforderungen der sie umgebenden Welt, welche sie an ihre Grenzen bringt.

 

Auch im späteren Leben, im Erwachsenenalter, können Menschen noch eine ganze Zeit lang gut „funktionieren“… dennoch kommt irgendwann womöglich der Punkt, an dem das eigene System anfängt zu kippen… Der Punkt, an dem man die Anforderungen nicht mehr „mal eben so“ erfüllen kann, man müde wird, frustriert, hilflos. Das mag an steigenden Anforderungen oder schwindenden Ressourcen liegen…

 

Ein Leben ganz ohne die von PDAern so gefürchteten Anforderungen ist kaum möglich, schließlich stellt selbst unser Körper Anforderungen an uns… Beispiel: „Ich muss mal…“

 

Wie also können Aufforderungen weniger „direkt“ und somit „bedrohlich“ wirken? Wie kann man es schaffen, dennoch mit Anforderungen umgehen zu lernen?

 

FAPDA fasst unter der Überschrift „Anforderungen verschleiern und managen“ folgende Punkte zusammen:

 

  • Bitten/ Aufforderungen indirekt formulieren

  • aktuelle Ressourcen beachten und Anforderungen ggf. anpassen

  • Dinge gemeinsam machen - Body doubling

 


Gleich bei der ersten Maßnahme wird es spannend:


Bitten und Aufforderungen indirekt formulieren.


Anstatt also zu sagen: 

„Du musst noch dein Zimmer aufräumen“ oder „Bitte räum dein Zimmer auf“ kann eine Umformulierung helfen.

 

Zum Beispiel als Alternative formuliert:

„Wann möchtest du dein Zimmer aufräumen? Heute vor dem Essen oder morgen nach der Schule?“

 

Oder mit einer Nachfrage:

„Was brauchst du, um dein Zimmer aufzuräumen? Kann ich dir etwas bringen oder helfen?“

 

Oder als Challenge:

„Ich frage mich, ob du es bist zum Essen schaffen kannst, dein Zimmer aufzuräumen.“

 

Oder als Dank zur Kooperation:

„Es wäre großartig, wenn du grad für 10 Minuten ein bisschen aufräumen kannst, dann kann ich in der Zeit deinen Bruder wickeln. Das würde mir toll helfen!“

 

Gern kann auch eine „Belohnung“ mit einer gemeinsamen Aktivität in Aussicht gestellt werden, die man ja nur schaffen kann, wenn alle mit anpacken.

 

Die größte Hürde in den indirekten Aufforderungen liegt darin, dass sie „echt“ sind. Das heißt, der Aufgeforderte darf nicht merken, dass hier eine gekünstelte Strategie dahinter steckt.

Ein kleiner Tipp: Übt das! ;-)

Wählt eine Situation, in der ihr diese Strategie erproben möchtet und sucht euch eine Formulierung heraus, die ihr als passend empfindet und übt sie, ggf. auch vor dem Spiegel.. Denn wenn ihr in der Situation selbst dann erst nach der Formulierung grübeln müsst, dann ist das kurze „Kooperationsfenster“ vielleicht schon wieder geschlossen.

Am Anfang fühlt sich das wirklich komisch an! Da gebe ich euch recht! Aber es geht euch mit der Zeit immer leichter über die Lippen, ihr müsst immer weniger überlegen, werdet immer „echter“ und die indirekten Aufforderungen immer leichter und immer gelingender!

 

 

Aktuelle Ressourcen beachten und Anforderungen ggf. anpassen.

 

Ein Grundsatz, den jeder Mensch zu jeder Zeit für sich beachten und beherzigen sollte!

Achtet auf eure Kräfte, auf eure „Batterien“!

 

Dies gilt umso mehr für Menschen mit hochfunktionalen, hochsensiblen Nervensystemen!

 

Haltet immer einen ganz genauen Blick darauf, dass sich die vorhandenen Ressourcen und die Anforderungen einigermaßen in der Waage halten.

Wenn es mehr Anforderungen gibt, müssten auch mehr Ressourcen her - d.h. ihr braucht ggf. ein mehr an Erholungspausen, ein mehr an Stimmingmöglichkeiten.

 Die Ressourcen sind jedoch nicht grenzenlos „aufstockbar“. 

Wenn ihr also merkt, dass Pausen etc. nicht helfen, nicht ausreichen, dann bleibt nichts anderes übrig, als Anforderungen (zumindest vorübergehend) zu reduzieren.

 

Moment, doch - klar… ihr könnt natürlich auch sagen: „Das muss jetzt aber gehen“ und einfach weitermachen, aber dann darf sich niemand über einen Zusammenbruch wundern…

 

Manchmal kann es helfen, eine Anforderung zu verschieben, auf später, auf morgen…

Es kann helfen, eine Anforderung in kleinere Schritte aufzuteilen.

Es kann helfen, Aufforderungen abzunehmen, sie, vielleicht zumindest in Teilen, selbst zu erledigen. 

So könnten zum Beispiel die Aufgaben des Aufgabenblattes vorgelesen werden oder Lösungen dürfen diktiert werden. Oder ich ziehe jemandem, der es schon längst selbst kann, die Schuhe an oder trage seine Tasche…

 

„Anforderungen anpassen“ kann durchaus sehr drastisch und umfassend nötig sein. Je mehr im Vorfeld über die individuellen Grenzen hinausgegangen wurde, umso mehr.

 

Wenn sich jemand in einem autistischen Burnout befindet, kann es für einen gewissen Zeitraum sogar notwendig sein, jegliche Anforderung zu vermeiden. Ja, auch Zähneputzen, essen, Tag/Nacht-Rhythmus…

 

 

Dinge gemeinsam machen - Body doubling

 

Kennt ihr die Idee des „Body doubling“? Man macht Dinge gemeinsam - aber eher parallel.

Dies könnte zum Beispiel so aussehen:

„Wir stellen jetzt den Timer und in den nächsten 15 Minuten machst du deine Matheaufgaben und ich lege die Wäsche zusammen. Mal sehen, wie viel wir schaffen!“

 

Oder auch:

„Wir stellen den Timer auf 10 Minuten. Du räumst deine Legos in die Kisten und du darfst bestimmen, wie ich dich in deinem Zimmer unterstützen kann (Fenster putzen, Schreibtisch aufräumen, staubsaugen…“

 

Richtig, das Prinzip kennen wir aus dem Sprichwort „Geteiltes Leid ist halbes Leid!“.

 

Beide machen etwas, was vielleicht nicht unbedingt den Lieblingsaufgaben entspricht. Somit sind beide auf einem ähnlichen „Pfffft- kein Bock-Level“ und kämpfen sich aber gemeinsam durch.

 

Ihr findet hierzu übrigens auch eine Facebook-Gruppe von uns. Schaut gern mal auf Facebook nach der Gruppe „Body-Doubling - by Authentisch Autistisch“. 

Hier unterstützen wir uns gegenseitig.

 

Dinge gemeinsam zu machen schafft Nähe, zeigt Kooperation. Es macht deutlich, dass jeder auch mal Dinge tut, die nicht gerade den größten Spaß auf der Welt machen. Zeitgleich kann man sich einander ein wenig motivieren, aber auch beobachten! Denn auch, wenn ich andere beim Arbeiten beobachte, kann ich womöglich viel lernen. Z.B. über die Planung von Handlungsabläufen, Arbeitsstrategien, Materialien etc.

 

 

Häufig sind es gefühlte Kleinigkeiten, die dennoch einen riesigen Unterschied ausmachen können!

 

Probiert es aus und berichtet gern, welche Strategien bei euch gut funktionieren und welche weniger - denn nicht jede Strategie ist bei jedem Mensch gleich wirksam und somit sinnvoll.

 

Bleibt neugierig!

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