Innerhalb meines autistischen Klientels gibt es einen deutlich erhöhten Anteil von Menschen, die auch hinsichtlich anderer Themen Diversitäten zeigen und auch leben.
Ich kann hier nur aus meinem eigenen Beobachten berichten, Studien in dieser Richtung liegen mir nicht vor.
Viele meiner Klienten haben ihre Herausforderungen mit z.B. LGBTQ+ - Themen.
Einige wechseln ihre geschlechtliche Identität - teils vollumfänglich, inkl. aller erforderlichen Maßnahmen wie Hormonen, angleichenden OP´s, etc.
Einige leben in gleichgeschlechtlichen Beziehungen.
Einige sind nicht festgelegt - und wollen es auch nicht sein, da sie jeden Tag anders fühlen.
Wie kommt das?
Wenn wir über diese Themen sprechen kommen hier verschiedene Überlegungen zutage.
„Ich bin eh schon immer komisch und ein Außenseiter gewesen… da war es jetzt für meine Eltern kein großer Schock, als ich gesagt habe, dass ich glaube, lesbisch zu sein.“ (Eileen, 18 Jahre)
„Meine Freundin hat mich auf die Idee gebracht, dass ich „in Wirklichkeit“ ein Mädchen sein könnte. Sie ist auch Autistin. Wir haben uns in einer Selbsthilfegruppe kennengelernt.“ (Bela, 15 Jahre)
„Mit „Bling Bling“ und „Glitzer“ konnte ich halt nie viel anfangen… Ich versteh mich mit Jungs schon immer besser… Die sind nicht so kompliziert. Ich lebe jetzt seit 2 Jahren als Junge und werde bald mit der Einnahme von Hormonen starten. Liebe? Keine Ahnung - das Thema stresst mich - egal in welche Richtung ich da denke… vielleicht bin ich asexuell…“ (Marvin, 16 Jahre)
Vielleicht ist also das Thema der „Diversität“ an sich einfach präsenter und es ist aufgrund der Diagnose leichter, darüber zu sprechen…
Vielleicht kann es aber auch daran liegen, dass Autisten eher mit „diversen“ Menschengruppen in Kontakt kommen, z.B. auf Demos, Partys, etc….
Vielleicht sind autistische Menschen eher auf dem Weg, sich ganz individuell selbst zu finden und denken hier automatisch in weniger engen Grenzen als vielleicht so mancher Neurotyp?
Ich weiß es nicht - wie denkt ihr darüber?
Ganz, ganz spannend finde ich auch immer wieder die Gespräche über das Thema „gendern“.
Manch Eine/r ist hier ganz strikt, versucht immer und zu jeder Zeit alle Diversitäten auch in sprachlicher Hinsicht einzubeziehen und zu berücksichtigen.
Erstaunlich viele meiner Klienten sind jedoch auch der Meinung, dass ein „/Innen“ als Anhängsel an Wörter auch nichts besser machen würde.
Sie argumentieren ganz klar, dass dieses Suffix oftmals gefühlt sogar eher mehr trennt als vereint.
Tessa, 13 sagte: „Pilot ist halt ein Beruf. Wenn ich eine Frau mit diesem Beruf begrüße, sage ich ja sowieso nicht: „Guten Tag, Frau Pilotin“, sondern „Guten Tag, Frau Müller.“
Jan, 17 schmetterte letztens los: „Ich versteh das alles eh´ nicht… gibt es keine wichtigeren Themen? Und überhaupt, warum interessiert das überhaupt so viele Leute so? Ist doch egal, wer wen liebt oder ob man Fleisch isst oder warum vielleicht eben auch nicht… Kann nicht jeder einfach nur glücklich sein und so leben dürfen, wie es ihm gefällt?“
Ich selbst sehe Menschen als Menschen…
Da gibt es nette und nicht so nette.
Mehr Unterschiede mache ich eigentlich nicht…
Und „gendern“ raubt mir zugegebenermaßen oftmals zu viel Kraft - denn die Chance, dennoch in eine Falle zu tappen, ist (für mich) zu groß.
Tatsächlich hat mich dennoch noch nie jemand darauf angesprochen, dass er oder sie sich aufgrund fehlenden Genderns von mir diskriminiert fühlen würde. Vielleicht weil ich einem jeden einfach als Mensch gegenübertrete.
In meinem Fall als Frau (wenn auch oft nicht sonderlich klischeehaft), als Therapeutin (wenn auch oft viel zu authentisch), als Mischköstler (der immer wieder alle möglichen Nahrungsmittel nicht mag)…
Wir wissen nicht, wie viele „Auftritte“ wir hier auf dieser Erde haben… aber ich möchte mich nicht durch festgelegte Rollen einschränken lassen - warum auch?
Ich nehme mir die Freiheit, Menschen einfach als Mensch begegnen zu dürfen.
Das Leben ist bunt!
Akzeptanz macht frei.
Bleibt neugierig!
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