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Janina Jörgens

Spät diagnostiziert... - Schließe Frieden mit dir^


Friedenstaube


Louisa, 22 Jahre, hochintelligente (Asperger) Autistin, sitzt mit verweinten Augen vor mir.

 

„Ich weiß nicht, was mit mir los ist! Ich wollte doch wissen, warum ich so anders bin…!? Jetzt hab´ ich endlich eine Diagnose, die mir alles erklärt - und jetzt sitze ich hier, heule und will von allem am liebsten nichts wissen…. Ich will nur noch die Decke über den Kopf ziehen und schlafen…“

 

Louisa hat vor ca. 3 Monaten ihre Diagnose erhalten: hochbegabte Autistin.

 

Hinfällig sind alle anderen Diagnosen, die bis dahin ihren Lebenslauf versuchten zu erklären. Unter anderem: Ess-Störung, Depression, manisch-depressive Phasen, Sozialphobie, chronisches Erschöpfungssyndrom, posttraumatische Belastungsstörung…

 

Mit keiner der Diagnosen fühlte Louisa sich „richtig“, gesehen, erkannt… Keine der nach jeder der Diagnosen angestoßenen Therapien schienen zu helfen. Im Gegenteil: viele setzten sie nur noch mehr unter Druck und es ging ihr immer schlechter.

Ihre verzweifelte Suche ging weiter und weiter, ihre Kräfte schwanden.

 

Nach ihrem 3. Suizid-Versuch wurde sie in einer Psychiatrie stationär untergebracht und traf dort auf eine Diagnostikerin, die die ersten Vermutungen in Richtung Autismus äußerte. Und sie sollte recht behalten.

 

„Ja, aber jetzt bin ich doch richtig behindert…? Oder nicht?“

 

Ich kann ihre Verzweiflung verstehen. Louisa hatte vorher keinerlei Kontakt zu Menschen aus dem Spektrum, kannte nur am Rand diverse Figuren aus Film und Fernsehen, die Autisten verkörpern sollen.

 

Wir brauchten einige Zeit, um die Diagnose zu erläutern, herauszufinden, wie sich Autismus bei ihr äußert und was diese Diagnose für Louisa an positiven Dingen zu bieten hat.

 

So kann sie nun Hilfen anfordern, wie z.B. Autismustherapie, Sozialkompetenztraining, oder auch so „profane“ Dinge wie eine Hilfe für den Haushalt.

 

Desweiteren hat sie nun die Möglichkeit, nach „Gleichgesinnten“ Ausschau zu halten, sich in der Autismus-Community umzuschauen und dort auf Menschen zu treffen, die ebenfalls ihr Leben gefühlt auf einem anderen, als ihrem Heimatplaneten verbringen müssen.

 

Und nicht zuletzt kann Louisa nun versuchen, Frieden mit sich zu schließen.

 

  • Sie war nie faul, sie brauchte einfach mehr Ruhepausen, als die Menschen um sie herum.

  • Sie war nie „empfindlich“, zart besaitet, eine Heulsuse - sie hat eine Reizfilterschwäche, eine hochsensible Wahrnehmung, die so manche Empfindung schnell „zu viel“ werden lässt.

  • Sie war nie ein „klugscheißernder Angeber“ - sie ist hochbegabt und stellt schnell komplizierte Vernetzungen her, sieht Details, findet Fehler...

  • Sie war nie ein gefühl- und empathieloser Trampel, der andere vor den Kopf stößt. Viele ungeschriebene soziale Regeln erschlossen sich ihr nicht und wurden ihr auch nicht erklärt.

 

Es braucht Zeit, sich als den „neuen“ Menschen kennenzulernen, dem man nach solch einer Diagnose im Spiegel gegenübersteht.

 

Eine Diagnosestellung kann einen in eine wahre Identitätskrise werfen, daher finde ich es ganz wichtig, dass man die Menschen nach einer Diagnose nicht sich allein überlässt, sondern sofort jemanden an ihre Seite stellt, mit dem sie sich austauschen können, dem sie Fragen stellen können, dem sie ihr Herz ausschütten können, der beim „neue-Pläne-schmieden“ helfen kann.

 

Eine Autismus-Diagnose ist eben doch deutlich tiefgreifender als die Erkenntnis nach der Farbanalyse: Hey ich bin ein Herbsttyp und blau steht mir gar nicht so gut…

 

Lasst euch Zeit, euch neu kennenzulernen! Seid lieb zu euch!

 

Und: Bleibt neugierig! Auf euch selbst und aufeinander!

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