„Du bist total anstrengend, seit du da zu dieser Therapie gehst!!!“
Das war der letzte Satz, den Laura von ihrem damaligen Lebensgefährten zu hören bekam, bevor der die Tür hinter sich und ihrer beider Beziehung zuzog.
Lange haderte sie mit sich, gab sich die Schuld, dass die Beziehung gescheitert war.
Was war passiert?
Laura hatte in der Therapie erkennen dürfen, wie sehr sie in ihrem Leben maskierte, um nicht aufzufallen.
Zwar war sie darin sehr erfolgreich, allerdings kostete es sie auch mehr und mehr Kraft.
Sie ging stetig über ihre eigenen Grenzen hinweg, verleugnete Warnsignale ihres Körpers und ihrer Seele.
„Hey, komm nach der Arbeit doch noch mit auf die „After-Work-Party“!“
„Ok.“ (Oh jeh, ich bin doch jetzt schon total müde und hatte mich eigentlich auf einen ruhigen Abend auf der Couch gefreut… und morgen muss ich doch arbeiten…)
„Da hat ein neues riesiges Einkaufszentrum aufgemacht! Komm, wir gehen zur Eröffnung! Das wird super! Es gibt tolle Angebote, Bands spielen und und und!!!“
„Ok.“ (Oh jeh…)
„Wow! Schick siehst du aus!“
(Hohe Schuhe - lange geübt, einigermaßen sicher darauf zu laufen; enge Röhrenjeans - das Gefühl, die Haut an den Beinen brennt; modische Bluse - der Polyestheranteil bringt mich zum schwitzen, ich habe das Gefühl zu stinken…)
Und so ging es auch in der Beziehung weiter.
„Komm, wir gehen ins Kino.“
„Ok.“
„Warum bist du immer müde?“
„Ach - ist grad anstrengend auf der Arbeit.“ (Ich weiß es doch auch nicht!!! Warum bist du immer so voller Energie???)
„Ich geh mit Freunden Einen trinken.“ (Du kommst ja eh nicht mit, das brauch ich gar nicht fragen…)
„Ok.“ (Puh, dann kann ich einen ruhigen Abend auf dem Sofa machen - aber er hätte mich doch fragen können, ob ich mitgehen möchte?)
Laura hatte lange gegen ihre Bedürfnisse gelebt.
Laura konnte ihre „Batterien“ mittlerweile gar nicht mehr richtig aufladen, sie hatte das Gefühl nur noch zu funktionieren - „wie ferngesteuert“. Ihr war die Lebensfreude abhanden gekommen, im Gegenzug wurden ihre Selbstzweifel größer und größer.
Ein Burnout und depressive Verstimmungen brachten sie schließlich in die Klinik - und erst dort wurde Laura die Autismus-Diagnose gestellt.
Zunächst wies sie diese Diagnose weit von sich, aber nach und nach stellte sie fest, dass sie sich doch in einigen Berichten durchaus wiederfand.
In der anschließenden Therapie wurde Laura bewusst, dass Maskieren viel Energie kostet. Zu diesem Zeitpunkt war auch schon sehr deutlich: es kostet ZU viel Energie!
Und so begann sie, nach und nach die Masken abzulegen.
Zunächst musste sie erst mal auf die Suche gehen: Wo und wer bin ich eigentlich? Was sind meine Bedürfnisse und was sind Erwartungen von außen???
Je mehr sie zu sich fand, umso „unbequemer“ wurde sie jedoch für ihre Mitmenschen.
Bekannte, Freunde, Familie, Lebensgefährte, Kollegen - alle kannten Laura als die liebe, nette Person, die immer für einen Spaß zu haben war, die nie nein sagt und für jeden ein offenes Ohr hat.
Tja - und jetzt entdeckte Laura plötzlich die Worte „nein“ und „ich“.
Und ab diesem Zeitpunkt wurde deutlich, welche Menschen auch mit der „echten“ Laura, mit der Laura ohne Maske, klarkommen konnten und welche nicht.
Ihr damaliger Lebensgefährte gehörte nicht dazu.
Heute ist Laura für die damaligen Entwicklungen sehr dankbar.
Sie hat einen neuen Mann kennengelernt. Er ist ebenfalls Autist, ebenfalls erst mit 32 Jahren diagnostiziert.
Das Zusammenleben ist nicht immer einfach, aber beide haben einen sehr bewussten Umgang miteinander, sprechen viel, kommunizieren offen, holen sich Hilfe, wenn es angebracht erscheint.
Vielleicht hätte sich Laura den „Umweg“ über Burnout und Depression ersparen können, wenn sie schon früher mehr auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen und nicht so stark maskiert hätte - mag sein.
Andererseits kann sie nun sehr klar sagen, was sie schaffen kann, wenn sie es muss, denn das hat sie sich ja schon bewiesen....
Aber mittlerweile kann sie ihre Ressourcen ganz klar einschätzen und auch ihre Grenzen erkennen, diese benennen und für sich sorgen.
Das muss nicht jedem gefallen.
Und das ist völlig in Ordnung!
Bleibt neugierig auf Euch und aufeinander.
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