‚Nun komm schon!‘, ‚Jeden Tag derselbe Terror!‘, ‚Wir putzen nur Zähne!!!!‘…
Und das Schlimme ist: es muss sein… 🤷🏻♀️
Aber warum ist das oft so schwierig? Insbesondere für und mit autistischen Menschen?
Verschiedene Ideen hierzu:
Übergänge: Zähne putzen ist ein Indikator für: ‚Jetzt geht’s gleich ins Bett!‘ - naja, und wenn wir ehrlich sind ist das ja auch so eine Sache… Ins-Bett-gehen ist eine ‚Übergangssituation‘. Etwas endet und etwas anderes beginnt. Übergänge, kleine wie große, sind für autistische Kinder oft schwierig.
Hilflosigkeit: Zähne putzen kann ganz schön übergriffig sein… da wird festgehalten, angeordnet, harte Gegenstände, die scharf schmecken und riechen in den Mund gesteckt und wild hin und her bewegt… Wenn man sich als erwachsene Person vorstellt, man müsse sich die Zähne von jemand anderem putzen lassen müssen… also ich wäre von der Idee nicht sehr begeistert!
Sensorik im Mundraum: Die Zunge fühlt deutlich besser und feiner, als z.b. unsere Fingerspitzen. Sie fühlt Dinge 7-11 mal so groß. Wie gigantisch also fühlt sich für ein Kind dann eine Zahnbürste an!?
Sensorik Geruch/Geschmack: Zahnpasta ist minzig, scharf - wenn es nicht grad eine ganz milde Kinderzahnpasta ist. Zahnpasta wird oft hinsichtlich Geruch und Geschmack abgelehnt, da dies zu intensiv empfunden wird. Nach scharfer/minziger Zahnpasta wird das kalte Wasser zum Ausspülen durchaus als schmerzhaft empfunden.
Sensorik Geräusche/Lärm: Badezimmer sind oft sehr hallig. Geräusche können als unangenehm laut empfunden werden.
Sensorik Geruch: im Badezimmer gibt es oft viele, intensive und nicht immer nur angenehme Gerüche.
Sensorik Optik: Badezimmer sind häufig sehr hell ausgeleuchtet, zudem gibt es viele spiegelnde Oberflächen. Diese können entweder als schön, interessant, spannend oder auch als irritierend empfunden werden.
Sicher gibt es noch viel mehr Gründe… ganz individuell eben, wie immer.
Wenn wir die Gründe kennen, können wir gemeinsam nach Lösungen suchen.
Übergänge können anders geplant werden, im Ablauf verändert, länger angekündigt, visualisiert.
Sensorische Überforderungen können mit Alternativen gemildert werden. Warum nicht mal Zähne putzen mit Gehörschutz, warum nicht mit einer Schüssel auf dem Bett sitzend statt im Bad vor dem Spiegel…
Es muss auch nicht zwangsläufig mit Zahnpasta geputzt werden. Wenn es gar nicht anders geht, und keine akzeptable Pasta gefunden werden kann, dann geht’s auch nur mit Wasser… Das ist immer noch besser, als gar nicht!
Um der Hilflosigkeit zu begegnen, kann es sinnvoll sein, das Kind selbst putzen zu lassen. Es gibt mittlerweile tolle, alternative Zahnbürsten! Zum Beispiel halbrund aus weichem Silikon. Damit wird Zähneputzen kinderleicht.
So lang die Liste der möglichen Gründe- so lang ist auch die Liste der möglichen Lösungen.
Die Gründe aufzudecken ist Detektivarbeit. Lösungen suchen ist Hochleistungssport für kreative Köpfe. Und diese dann zu testen setzt ein großes Maß an Geduld und Durchhaltevermögen voraus.
Zähneputzen ist aber eine genauso lebenslange Aufgabe wie ein bewusster und einfühlsamer Umgang mit der lebenslangen Diagnose Autismus.
Die Anstrengungen können sich also durchaus lohnen! 😊
Bleibt neugierig aufeinander! 🍀
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