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Janina Jörgens

Neurodivergent zum Arzt! - Planung hilft - nicht immer...


Frau spricht mit Ärztin


Arztbesuche sind für neurodivergente Menschen immer eine Herausforderung!

Leider sind sie unumgänglich und meist nicht verhandelbar…

 

Sie bedeuten oft maximalen Stress.

Neben der Anfahrt wartet dort ein möglicherweise volles Wartezimmer, Gerüche von Desinfektionsmitteln, Lufterfrischern, Parfüms, Haarsprays etc., Geräusche, die mitunter unbekannt sind und sich einander überlagern: Stimmengemurmel der Wartenden, Gesprächsfetzen aus Untersuchungsräumen, Geräusche von medizinischen Gerätschaften, Telefon, Drucker und und und…, Menschen, mit denen man in Kontakt treten muss - von der Arzthelferin am Empfang über die wartenden Mitpatienten bis hin zum Arzt oder der Ärztin. Arzt oder Ärztin stellen dann nicht nur Fragen, sondern untersuchen auch - ab hier wird es dann sogar körperlich…

 

An diesem Punkt steigt dann die Anspannung oft ins Unermessliche. 

 

Untersuchungen werden oft als Übergriff empfunden. Hinzu kommt die Angst, dass eine Krankheit oder Ähnliches entdeckt werden könnte, welche dann zusätzliche Maßnahmen wie Medikamente, Spritzen, weitere Untersuchungen nötig machen würden…

Um einen Arzttermin so „entspannt“ wie möglich zu machen, kann Planung und Vorbereitung helfen.

Hierzu ist es wichtig, im Vorfeld zu ermitteln, wo die größten Stressoren beim Thema „Arztbesuch“ liegen, um zielführend handeln zu können.

 

Ist der Arzt neu und unbekannt?

Bereitet euch schon weit vorher auf den Besuch vor! Schaut auf der Internetseite, wie der Arzt aussieht, schaut euch im Netz die Praxis an. Besucht die Praxis bereits weit vor dem eigentlichen Termin. Schaut sie euch erst einmal von außen an. Ihr könnt womöglich mit der Praxis sprechen und euch die Räume einmal kurz vor den Öffnungszeiten anschauen, wenn noch keine anderen Patienten da sind. Danach könnt ihr euch bei einem weiteren Besuch einfach mal für ein paar Minuten ins Wartezimmer setzen. Vielleicht könnt ihr auch einen Kennenlerntermin mit dem Arzt vereinbaren, bei dem man sich nur begrüßt und vielleicht eigene Fragen stellen kann. Es ist meist hilfreich, wenn ihr den Arzt und die Praxis bereits im Vorfeld über eure Diagnose(n) informiert.

 

Habt ihr Schwierigkeiten mit vielen Menschen in einer womöglich engen Praxis?

Schaut euch die Praxis im Vorfeld an, wie eben beschrieben, womöglich vor den eigentlichen Sprechzeiten. Schaut, wo ihr eine Ecke findet, die für euch geeignet sein könnte. Vielleicht gibt es eine geschützte Ecke im Flur oder vor einem Sprechzimmer… Fragt nach, ob ihr draußen oder im Auto warten könnt, bis ihr aufgerufen werdet. Womöglich kann die Sprechstundenhilfe euch per Handy anrufen, wenn euer Termin dran ist und ihr reinkommen könnt.

 

Seid ihr schnell gestresst von Sinneseindrücken?

In einer Arztpraxis gibt es viele Geräusche und Gerüche. Helft euch mit einem Tuch oder einem Pulli. Wenn ihr ein Stück des Stoffes vor die Nase haltet, kann dies einige Gerüche filtern. Auch eine Mund-Nasen-Maske, wie wir sie seit einigen Jahren kennen, kann helfen.

Zieht eine Sonnenbrille an, so könnt ihr Blendungen von hellen Lampen abschirmen.

Nutzt Kopfhörer, ob In-Ear oder Over-Ear ist eurem Empfinden überlassen. Ihr könnt welche zur einen Geräuschunterdrückung nehmen oder auch Musik hören, die euch entspannt, ein Hörspiel, oder einen Podcast. 

Mit solchen „Schutzmaßnahmen“ wie Kopfhörer, Sonnenbrille und Mundschutz signalisiert man nach außen auch ein gewisses „Sprich mich nicht an“. Das kann also nicht nur helfen, um sich vor einem Zuviel an Sinneseindrücken zu schützen, sondern unterbindet womöglich zusätzlich ungewollte Kontaktaufnahmen durch andere Patienten.

 

Schafft Sicherheit durch Vorbereitung

Legt euch alle Unterlagen, die ihr für den Termin benötigt, bereits einige Tage vorher zurecht.

Was wollt ihr anziehen? Ich empfehle Kleidung, die ihr gewohnt seid, in der ihr euch wohl fühlt. Überlegt ggf. im Vorfeld, in wie weit ihr die Kleidung womöglich für eine Untersuchung ablegen müsst. Sorgt dafür, dass ihr dann auch Socken oder Unterwäsche anhabt, die sowohl bekannt, bequem wie auch einigermaßen vorzeigbar ist. ;-)

Wo ist die Praxis und wie kommt ihr dahin? Fahrt oder geht den Weg vorher ein (paar) Mal ab, damit ihr die Zeit einschätzen könnt und pünktlich da seid.

Findet heraus, welcher Typ ihr seid: Typ „Feuerwehr“? Ankommen und los gehst´s - keine Zeit für Grübeleien! Oder eher Typ „Immer mit der Ruhe“? Zeit lassen, früher da sein, in Ruhe gewöhnen? Je nachdem solltet ihr eure Ankunftszeiten dann anpassen. Ein „normal“ gibt es da nicht! Der Eine kommt exakt um 10 Uhr und möchte dann auch direkt ins Untersuchungszimmer (das solltet ihr vorher absprechen - meist muss man trotz Termin noch (lange) warten…

Die Andere kommt gern schon eine Stunde früher und nimmt sich jede Menge Dinge zum Überbrücken der Wartezeit mit.

Schreibt eure Fragen auf Karteikarten auf! Beim Termin selbst ist man oft so aufgeregt, dass man den Großteil seiner Fragen einfach vergisst… oder sie nicht stellt, weil man einfach so schnell wie möglich wieder raus möchte! Die Karteikarten helfen euch nicht nur, eure Fragen nicht zu vergessen. Ihr könnt die Karten auch dem Arzt geben, falls euch eine Sprachblockade überkommt oder auch, wenn ihr wirklich gehen müsst. Selbst dann kann der Arzt eure Fragen noch lesen und sie euch womöglich später per Mail beantworten.

 

YouTube, Google und Co…

Medien können eine Vorbereitung gut begleiten. Man kann schon mal schauen, wie Untersuchungen ablaufen, man kann Symptome „ergoogeln“, etc.

Leider kann aber auch der gegenteilige Effekt eintreten, dass man sich - je nachdem an welche Videos und Informationen man bei der Recherche gerät - schlussendlich nicht gut vorbereitet fühlt, sondern noch mehr Panik bekommt.

Hier könnt ihr ggf. jemandem, dem ihr vertraut bitten, für euch eine Vorauswahl zu treffen.

 

Tja, und dann bleibt „nur noch“ der Termin selbst.

Macht euch bewusst: 

Der Termin hat einen Anfang und auch ein Ende! Ihr müsst das nicht ewig aushalten!

Die Untersuchungen sind notwendig, um gesund zu bleiben oder zu werden.

Der Arzt/ die Ärztin macht das beruflich! Jeden Tag! Sie schauen mit einem professionellen Blick. Es interessiert sie nicht, welche Augenfarbe ihr habt oder welche Marke eure Schuhe haben. Sie haben schon viele andere Patienten gesehen, größere, kleinere, ältere, jüngere, dickere, dünnere… Der Arzt/ die Ärztin ist nur an eurer Gesundheit interessiert!

 

Solltet ihr das Gefühl haben, dass ihr eurem Arzt oder eurer Ärztin nicht vertrauen könnt, sollten eure Fragen regelmäßig nicht beantwortet werden, eure Bitten zu Anpassungen übergangen, euer „Stopp“ ignoriert werden, könnt ihr die Praxis wechseln! Ihr müsst nicht bei dieser Praxis bleiben! Wir haben in Deutschland die freie Arzt- und Therapeutenwahl.

Bedenkt nur, dass viele Praxen leider überfüllt sind und keine neuen Patienten annehmen…

Wenn es mal ganz schlimm kommt, kann man sich auch an höheren Stellen beschweren. Stichworte hier sind Patientenberatung, Krankenkasse, Ärztekammer.

 

Planung kann helfen, Arztbesuchen etwas von ihrem Schrecken zu nehmen. Meist bleiben sie aber ein Thema mit hohem Stresspotential. Da sie aber oft unumgänglich sind, solltet ihr euch die Zeit nehmen, euch einen Plan zu erarbeiten, der euch im Ernstfall etwas helfen kann.

 

Bleibt neugierig!

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