Geschenke sind toll! Klar! Oder…?
Die meisten Menschen, die ich kenne, bekommen gern Geschenke.
Klar, es gibt immer mal wieder Personen, die lieber geben als nehmen und denen es womöglich unangenehm ist, beschenkt zu werden und die dann zunächst gar nicht wissen, wie sie nun darauf reagieren sollen.
Und dann gibt es Menschen, die Anlässe wie Geburtstage oder Weihnachten allein schon wegen des Geschenke-Dilemmas blöd finden…
Denn Geschenke sind etwas Neues, womöglich sogar etwas Ungeplantes, Unbekanntes. Häufig macht sich derjenige, der schenkt im Vorfeld Gedanken, was dem Zu-Beschenkenden gefallen könnte.
Manchmal sind die Ideen gut und passend, manchmal leider auch völlig daneben…
Passiert.
Es kann sogar sein, dass die Ideen zu gut waren, und man am Ende dasselbe Geschenk gleich mehrfach überreicht bekommt…
Aber wie reagiert man dann richtig?
Neurodivergente Menschen kennen die Gedankenspiralen, die sich nun ganz von selbst, immer schneller werdend, in Bewegung setzen.
„Wer könnte mir was warum schenken? Wie reagiere ich dann? Soll ich mich bedanken, auch wenn mir das Geschenk nicht gefällt? Dann bekomme ich womöglich zu den nächsten Gelegenheiten immer mehr davon… Und wenn ich was doppelt bekomme? Darf ich fragen, ob und wie man das umtauschen kann? Oder ist das sehr unhöflich und ich sprenge mal wieder die Party? Oooohhh - hoffentlich bekomme ich das Buch, was ich mir schon so lange gewünscht hab! Aber… das darf ich ja dann erst mal nicht lesen, oder? Man muss ja erst „zu-ende-feiern“… Oh Gott, ich glaub ich könnte das Warten nicht aushalten - vielleicht kann ich heimlich unter dem Tisch schon mal anfangen zu lesen? Hoffentlich bekomme ich nicht wieder solche „Spaß-Geschenke“ oder Geschenke mit den Worten: „Das hab ich gesehen und musste sofort an dich denken!“ Warum? Wieso? Weshalb? ...!“
Wenn ich jemandem etwas schenke, bin ich mir der möglichen rasenden Gedanken des Anderen bewusst. Auch habe ich die Anforderungshaltung, die ein Geschenk auslösen mag, klar vor Augen.
Daher erwarte ich nichts. Kein „Dankeschön“, kein „sich-sofort-damit-beschäftigen“, keine Antwort auf die Frage „Und? Gefällt es dir?“ und auch kein „gleich-auspacken“.
Auspacken müssen vor den Augen desjenigen, der das Geschenk überreicht hat. Schlimm!
„Darf ich das Papier aufreißen oder wirkt das gierig? Ich bekomme es sonst aber kaum auf. Für das Band brauche ich eine Schere. Kann ich mir eine holen gehen und alle hier sitzen lassen oder ist das unhöflich? Alle gucken… Stelle ich mich blöd oder ungeschickt an? Hoffentlich reagiere ich angemessen, wenn ich ausgepackt habe. Hoffentlich kann ich mich „richtig“ freuen…“
Wenn ich neurodivergenten Menschen etwas schenke, tue ich das oft „zufällig“.
Zum Beispiel lasse ich das Geschenk einfach mit einer entsprechenden Karte: „Für Lea“ auf meinem Platz liegen, wenn ich das Zimmer nach dem Besuch verlasse. Oder ich lege das Geschenk beim Betreten des Zimmers einfach irgendwohin.
Dann kann der Beschenkte auspacken, wann immer es für ihn am besten ist.
Ich lege meist auch viel Wert auf die Verpackung. Ich wähle sorgfältig Papier und Band nach den Lieblingsfarben aus und montiere außen eine weitere Kleinigkeit dran, die man unverpackt direkt erkennen kann. Über diese Kleinigkeit kann man sich dann schon mal freuen, kann womöglich schon mal Bezug darauf nehmen, ohne gleich den oben genannten Anforderungen ausgesetzt zu sein.
Und ob das Geschenk dann „gut angekommen“ ist, das bemerke ich dann in den nächsten Tagen, wenn mir eine Zeichnung präsentiert wird – zufällig in dem Zeichenblock, den ich geschenkt hatte. Oder wenn eine Frage gestellt wird zu dem geschenkten Rätselblock, dem Bastelbuch, dem Comic… Oder wenn das Spiel, der Ball, das Fidget-Toy zum nächsten Treffen einfach mitgebracht wird - ohne weitere Worte als: „Magst du mitspielen?“
Das sind die Momente, die mir vor Freude eine Gänsehaut über die Arme jagen. ;-)
Ja, es mag für den einen oder die andere vielleicht befremdlich klingen - aber Geschenke können unglaublich großen Stress auslösen! Selbst und sogar dann, wenn man sich eigentlich riesig darüber freut!
Horcht mal in euch hinein, wie es euch selbst als Schenker oder Beschenktem geht und fragt gern auch mal bei den Menschen nach, die ihr gern beschenkt. Vielleicht könnt ihr ja das „Geschenke-Setting“ etwas anpassen und sogar entstressen!?
Bleibt neugierig aufeinander.
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