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Janina Jörgens

Grusel statt Schokolade? Warum so viele meiner Klient/Innen Horror lieben...


Verkleidete Kinder an Halloween


Ich beginne Beratungen, Coachings oder Therapien ja gern mit der Frage: Was magst du am allerliebsten

 

Und erstaunlich oft wird hier genannt: Horrorfilme, Gruselfilme, Halloween…

 

Warum???

 

Tja, ihr ahnt es vielleicht schon… Ich habe mir diese Frage nicht nur selbst gestellt - sondern ich habe diejenigen gefragt, die Horror scheinbar lieben!

 

(Mich selbst konnte ich hierzu nicht befragen… ich habe eher einen Horror vor Horror… ;-))

 

Und die Antworten, die ich bekam, waren ebenso spannend wie teilweise erschütternd.

 

Eine erste, absolut nachvollziehbare und sogar wissenschaftlich belegbare Antwort war:

„Gruseln ist wie Schokolade! Danach geht´s mir einfach besser!“

(Annika, 10 Jahre, ASS, ADHS, PDA)

 

Huch? Wie das? Ich kann im Gegenteil oft nächtelang nicht richtig schlafen…

 

Die Wissenschaft bestätigt allerdings dieses Empfinden, denn: beim Gruseln wird Dopamin ausgeschüttet.

Dopamin gilt, wie auch Serotonin, als Glückshormon: Man fühlt sich gut!

 

Dopamin wird auch ausgeschüttet bei Dingen und Aktivitäten, die z.B. Spaß machen, Nahrungsmitteln, die gut schmecken, Geschenken, Belohnungen und so weiter.

 

Menschen mit ADHS haben einen Dopaminmangel - die Kombidiagnose AuDHS ist sehr häufig anzutreffen. Und auch beim Thema Autismus selbst spielt die Dopaminverarbeitung oft eine große Rolle.

 

Dies ist der Grund, warum so viele autistische Menschen so gern Süßigkeiten essen, Medien konsumieren und leider auch überproportional häufig eine Veranlagung zu suchtähnlichem Verhalten zu zeigen scheinen. 

(Ich bin hier mit der Formulierung gerade bewusst vorsichtig, denn hier greifen zu viele Dinge ineinander, als dass man sie in diesem Format vollumfänglich und ausreichend klären und erläutern kann.)

 

Also: Gruseln kann ein toller Dopamin-Lieferant sein!

 

Und welche Erklärungen bekam ich noch zu hören?

 

Tim, 14 Jahre, ASS und ADHS, erklärte:

„Naja - klingt vielleicht krass, aber… naja… also mein Leben ist schon sowieso der pure Horror… Aber so schlimm wie in den Filmen oder Games ist es dann glücklicherweise doch nicht. Also für mich ist es irgendwie ein Vergleich und „Dran-Erinnern“, dass es ja auch noch schlimmer sein könnte… Klingt komisch, oder?“

 

Puh - ich fand es gar nicht komisch - eher erschütternd.

 

Und dennoch bin ich froh, dass ich auch solche kurzen Momente, die so einschneidend sind, hier veröffentlichen kann. So erhalten einige Menschen vielleicht wenigstens einen kleinen Einblick in autistische Seelenwelten…

 

Denn, siehe da: da ist kaum was zu erkennen von einem bewussten, möglicherweise sozial inkompetenten Verhalten, sondern vielmehr ganz viel Verzweiflung.

 

Björn, 9 Jahre, ASS, ADHS, PDA erkennt für sich noch einen ganz besonderen Vorteil in seinem Lieblings-Thema „Halloween“:

 

„Da kann ich mich ganz gruselig verkleiden - am liebsten so, dass mich wirklich auch niemand erkennt. Da muss ich dann keinem mehr die Hand geben oder höflich „guten Tag“ sagen. Da darf ich schreien und stampfen - gehört ja zur Rolle…“

Björn lacht.

„Das Coolste ist, wenn sich dann auch endlich mal andere vor mir erschrecken. Letztes Jahr hatte ich eine Spritze mit roter Farbe drin. Da sind alle vor mir weggerannt, weil ich sie nicht vollspritzen sollte. Fand ich gut - so hatte ich meine Ruhe. Leider ist das keine Lösung für einen normalen Schultag…“

 

Björn kann sich in seinen Kostümen als selbstwirksam erleben! Er kann Ressourcen schonen und gleichzeitig seine Grenzen besser kommunizieren.

 

Aha, also kann auch ein „richtiges“ Maskieren ein guter Grund sein, warum Halloween toll ist. 

 

Und tatsächlich ist mir das auch schon mal an anderer Stelle begegnet! Lest hierzu den Artikel: „Geburtstagsparty? Och nöö… Motto-Party? Au ja!“

 

Ich bleibe neugierig! Ihr auch?

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