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Janina Jörgens

Schule als „die beste Zeit“!?


Fröhliche Kinder in der Schule


„Ach warte nur ab! Du wirst dir diese Zeiten noch zurück wünschen! Das ist die beste Zeit!“

 

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen oder ähnliche Sprüche gehört habe während meiner Schulzeit…

 

Schon damals habe ich mich sehr gewundert und war mir sicher, dass das nicht stimmen kann!!! Ja - nicht stimmen darf!!!! Denn: Oh mein Gott! Wie viel schlimmer hätte es noch werden können???

 

Ich muss der Fairness halber anmerken, dass meine Schulzeit nicht ansatzweise so schlimm war, wie die einiger meiner Klienten.

 

Wobei Vergleiche immer schwierig sind.

Es waren andere Zeiten als heute. Der Leistungsdruck evtl. noch nicht so hoch, dafür aber die Verhaltensregeln durchaus noch strenger.

Diagnosen waren wenig bekannt. Sie wurden nur in extremen Ausprägungen überhaupt erkannt und zu einer Diagnostik weitergeleitet.

Zudem war ich ein Mädchen, im Nachhinein sehr begabt im Maskieren…

 

Immerhin war ich nie ein Opfer von Mobbingattacken. Ein großes Plus!

 

Und dennoch… Schule?

 

Nein, es gab in den (bislang) 32 Jahren seit meinem Abitur nicht einen einzigen Moment, in dem ich mich in die Schulzeit zurück gesehnt hätte… Nicht einen!

 

Ein kleiner Lichtblick, den ich auch meinen Klienten und deren Familien heute häufig mitgebe: Es besteht eine reelle Chance, dass Schule mit der Zeit „leichter“ wird.

Nicht unbedingt in fachlicher Sicht, aber im Drumherum. 

 

Die Klassenstrukturen weichen sich mit der Zeit etwas auf, so dass man auch mal Kontakt zu anderen und auch älteren Schülern haben kann. Die sind mitunter „vernünftiger“ oder haben zumindest andere Interessen als die Schüler im eigenen Jahrgang - sind nicht ganz so „kindisch“.

 

Es gibt „Wahlfächer“, d.h. man kann den Lernstoff ggf. bereits in der Schule schon etwas den eigenen Neigungen anpassen.

 

Man bekommt eine Idee für eine Ausbildung oder ein Studium, welches man im Anschluss machen möchte und somit einen „Sinn“ für die Lernerei. (Ich erinnere mich noch lebhaft an das leidgeplagte Gesicht meiner armen Mama, als ich ihr eröffnete, dass ich für meinen Studiengang ja keinen Numerus Clausus brauche und somit ja „nur“ das Abi bestehen muss, egal wie…)

 

Die älteren Schüler bekommen meist eigene Aufenthaltsräume, in denen es etwas ruhiger zugeht, in die man sich mal zurückziehen kann.

 

In meinem Gymnasium bestand in der Oberstufe keine Hofpflicht mehr (ein Segen).

 

Wir wurden zunehmend zum eigenen Lernen gebracht, konnten also mehr planen, wann wir was erarbeiten.

 

Naja - und „die Uhr lief runter“. Die Zeit bis zum Abschluss wurde Tag um Tag weniger…

 

So wurde das „Aushalten“ in gewissem Sinne einfacher.

 

Tatsächlich was das „fertig werden“ für mich der größte Ansporn. Wenn ich eine Klasse hätte wiederholen müssen, hätte ich mich nicht nur auf neue Lehrer und Schüler einstellen und mich allen vorstellen müssen, sondern die Schulzeit wäre um ein weiteres Jahr verlängert worden…

 

Schule war für mich also bestenfalls ein notwendiges Übel. Da “musste man halt durch“.

 

 

Es ist so spannend, in der Rückschau auf diese Zeit zu erkennen, welche Wege ich mir erarbeitet habe, um „möglichst unbeschadet“ durch die Schulzeit zu kommen.

 

Immer wieder hatte auch ich das Gefühl, auf dem falschen Planeten gelandet oder in der falschen Zeit geboren worden zu sein…

 

Ich war nie Mitglied in einer festen Clique, war aber in allen Cliquen zu jeder Zeit gern gesehen und wurde einbezogen.

 

Ich hatte eine beste Freundin - übrigens hält diese Freundschaft bis heute, auch über mittlerweile viele Kilometer hinweg, wofür ich äußerst dankbar bin! - die gefühlt eher wie eine Schwester für mich war.

Ansonsten eher nur Bekanntschaften, Mitschüler eben… man kennt sich und gut.

 

Ich erkannte früh den Sinn im Bibliotheksdienst für mich - so konnte ich (zumindest an einigen Tagen der Woche) elegant die Hofpausen umgehen.

 

Ich kam immer pünktlich, aber knapp zur Schule. So gab es keinen unnötig langen Small Talk etc. vor Schulbeginn.

 

Ich war still, angepasst, um Aufmerksamkeit zu entgehen. Ein Leben unterhalb des Radars von Schülern und auch Lehrern.

 

Wie gesagt, im Maskieren war ich wirklich spitze!

 

Ich weiß noch, wie verblüfft ich über Einladungen zu Geburtstagspartys etc. war. Wie konnte man mich einladen? Sehe ich nach außen wirklich so aus, als ob ich das schaffen würde, ja - als ob mir das Spaß machen würde??? Und damit kam dann die nächste Herausforderung: Wie winde ich mich aus Einladungen möglichst elegant und unauffällig hinaus? Eine Herausforderung, die mich dann noch viele Jahre im Erwachsenenleben begleitete.

 

Ich war so gut im Maskieren, dass mich meine eigenen Mitschüler, mit denen ich 9 Jahre im Gymnasium in einer Klasse war, mich zum 10-jährigen Abiturtreffen nicht erkannt haben! Nicht, dass ich mich äußerlich groß verändert hätte… 

Aber 10 Jahre nach der Schule war ich auf einmal „sichtbar“! 

 

Wer könnte es ihnen verübeln, ich war in der gesamten Schulzeit eigentlich 2 Menschen: „Schüler“ und „ich“. Also einmal Persönlichkeit A: werktags von 8 Uhr bis Schulschluss und einmal Persönlichkeit B: Nachmittags und Abends, an Wochenenden und in den Ferien.

 

Traurig? Ja, irgendwie schon… Aber auch stolz - denn ich habe es geschafft. 

Mit Kratzern, Beulen und mehr auf der Seele und im Herzen. Aber alles hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin.

 

Ich habe gelernt, dass ich viel über mich lernen darf.

Ich habe erkannt, dass ich viel für mich tun darf - und auch muss.

Ich habe gelernt, dass ich meinen Weg gehen darf.

Und ich habe gelernt, dass Maskieren eine gute Sache sein kann, solange man es bewusst und den eigenen Ressourcen angepasst nutzt.

 

Und ich kann all diese Erfahrungen heute nutzen, um einige davon meinen Klienten nach Möglichkeit zu ersparen und einige ihrer Wege bestenfalls mittels passender Wegweiser abzukürzen.

 

In diesem Sinne: Bleibt neugierig aufeinander.

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