„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“
Einer meiner Lieblingssprüche!
Immer und immer wieder muss ich vermitteln und erläutern, dass Druck meist nur Gegendruck erzeugt.
Im Leben sieht man es so oft, dass ein „du darfst nicht“ zu einem sofortigen „jetzt erst recht“ führt!
Anstrengend - für alle Beteiligten!
Es gibt auch eine umgekehrte Variante. Das sind die Momente, in denen Menschen dem Druck nachgeben, sich selbst aufgeben und einfach nur noch funktionieren.
Auf die Dauer auch nicht gesund…
Wenn ich Situationen beobachte und analysiere, in denen eine Kooperation nicht funktioniert, liegt dem meist eine Unsicherheit und/ oder zu viel Druck zugrunde.
Kooperieren bedeutet „Miteinander“.
Und ein Miteinander bedeutet, dass man sich ein Stück weit auf eine andere Person einlässt.
Wenn man sich nun auf eine andere Person einlässt, bedeutet das, dass man seine eigene Autonomie ein wenig ablegen muss.
Das wiederum erzeugt eine gewisse Unsicherheit.
Wenn ich mir in meinem Leben also nicht vollkommen sicher bin, dann ist Kooperation manchmal einfach ganz schön viel verlangt!
Es würde helfen, wenn ich mir als Gegenüber diese Zusammenhänge verdeutliche. Denn das erklärt, warum es so wichtig ist, dass ich als Gegenüber eine gewisse Sicherheit vermitteln kann.
Wenn ich also neurodivergente Menschen sehe, die verschlossen wirken, in sich gekehrt, desorientiert oder ähnliches, dann war oft bislang der umgebende Druck zu groß und/ oder es fehlt (noch) an einem ausreichenden Maß an Sicherheit.
Wie der mögliche Druck entstanden ist und welche Sicherheitsanker nun benötigt werden, ist wieder eine ganz individuelle Sache.
Ich habe einen Klienten erlebt, der für 2 Jahre nur zu Hause bleiben konnte, selbst Essensaufnahme oder Körperhygiene waren nur in einem Mindestmaß möglich.
Nach dieser „Auszeit“ war es in kleinsten Schritten möglich, wieder auf mehr Anforderungen zuzugehen. Heute arbeitet er in einem Stadt-Archiv.
Eine andere Klientin hingegen benötigte ein rotes Seil, welches sie unter der Klassentür hindurch mit ihrer Mutter verband, welche das Band an der anderen Seite festhielt, während sie auf dem Flur vor dem Klassenraum saß. Nach einem halben Jahr genügte ein kleines Stück desselben Seiles im Stifte-Mäppchen des Mädchens. Mama konnte zu Hause bleiben.
Hier ein Beispiel eines vermeintlichen Zugeständnisses einer Schule, welches aber bei genauerer Betrachtung die notwendige Sicherheit und Druckfreiheit dennoch vermissen lässt bzw. für den Klienten nicht ermöglichte:
„Jonas kann eine Woche zu Hause bleiben.“
Hier entsteht Druck durch die Limitierung: 1 Woche!
Wenn der Junge in einem autistischen Burnout steckt, werden diese 7 Tage kaum hilfreich sein können.
Und auch an Sicherheit fehlt es, denn: Was passiert nach dieser Woche? Geht es dann so weiter wie bisher? Kann die „Auszeit“ verlängert werden? Muss man sich dazu wieder einer Überprüfung unterziehen? Werde ich dann der Schule verwiesen?
Ja, mir ist bewusst, dass die Druckfreiheit und die Sicherheit, die neurodivergente Menschen oftmals benötigen würden, in unserem System ggf. schwierig umzusetzen sind.
Das ändert aber nichts daran, dass sie zwingend nötig sind, wenn wir Menschen eine Chance auf ein freies, gesundes Leben ermöglichen möchten.
Und so freue ich mich zumindest über die kleinen Vorstöße, die wir in dem einen oder anderen Fall immer mal wieder erreichen können! Jeder kleine Erfolg ist ein Paradebeispiel, wie es sein könnte und lässt mich ein weiteres „Das geht nicht!“ an anderer Stelle möglicherweise leichter entkräften.
Welche Art der Sicherheit und Druckfreiheit ist für Dich besonders wichtig?
Berichtet gern und bleibt neugierig!
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