„Lockdown-Zeiten sind vorbei - wir brauchen kein Homeoffice mehr!!!“
Aha… Schade, ich kenne viele Menschen, die im Homeoffice deutlich effizienter und ruhiger arbeiten können als im Büro…
Warum geht nicht beides?
Büro für die, die den Austausch mit Kollegen brauchen und schätzen, die zu Hause keinen ruhigen Platz zum Arbeiten finden, die die Abwechslung brauchen, die sich womöglich nicht selbst motivieren oder gar organisieren können…
UND Homeoffice für die, die nach dem Hinweg zum Büro bereits kaum noch Kraftreserven für die Arbeit übrig haben, nicht jeden Tag gleich leistungsfähig sein können, sich ohne Kollegen deutlich besser konzentrieren können…
„Online-Schule funktioniert einfach nicht! Die Kinder müssen mit anderen Kindern zusammen sein.“
Ähm… Ich finde nicht, dass das so stimmt…
Es gab und gibt Schulen, die ganz hervorragende Leistungen mit Online-Unterricht erbracht haben und erbringen…
Und es gibt jede Menge Schüler und Schülerinnen, die mit einer Online-Beschulung nicht nur sehr gut, sondern vor allem deutlich besser als im Präsenzunterricht lernen können.
Also: Warum nicht Präsenzunterricht UND Online-Beschulung anbieten, möglich machen?
„Leg das Spielzeug weg und hör auf herumzuturnen! So kannst du dich nicht konzentrieren!“
Hier ist ein „oder“ sogar von vornherein oft äußerst ungeeignet…
Gerade neurodivergente Menschen können sich oft besser konzentrieren, wenn sie zeitgleich ihre Hände oder auch ihren Geist anderweitig beschäftigen!
Das mag für den Einen oder die Andere vielleicht absolut merkwürdig erscheinen - es entspricht aber der Erfahrung aus 25 Jahren Arbeit mit Autisten und einem über 50-jährigen eigenen Erleben als neurodivergenter Mensch…
(Erklärungen, warum das so ist, findest du auch hier im Podcast!)
Ein weiteres Beispiel für ein klares „UND“.
„Da Du so kälteempfindlich bist, sind Kältereize als Regulationsmöglichkeit keine gute Idee.“
Moment!
Es ist absolut möglich, dass jemand insgesamt sehr kälteempfindlich ist und trotzdem im Falle eines Overloads oder Meltdowns kühle Reize als sehr wohltuend, angenehm und beruhigend empfindet!
Auch hier sollte man also aufmerksam nachhören und ggf. ausprobieren, bevor vorschnell mögliche Lösungen ausgeklammert werden.
„Wenn du nicht rausgehst wirst du auch nie Freunde finden…“
Hmm… „Rausgehen“ ist für neurodivergente Menschen oft mit unvorstellbar hohen Barrieren verknüpft. Sozialkontakte an sich können die letzten Energiereserven kosten… Das bedeutet aber nicht, dass per sé kein Wunsch nach Freundschaften bestünde!
Warum also nicht UND?
Zu Hause bleiben UND Freunde finden? Auch hier gibt es mittlerweile tolle Möglichkeiten (zunächst) über das Internet Kontakte zu knüpfen. Ganz vorsichtig und ohne die möglicherweise überflutenden Reize von Gerüchen, Geräuschen, taktilen Zumutungen und das alles an fremden Orten…
„Entweder - oder…! Jetzt entscheide dich mal!!“
Immer, wenn euch so ein Gedanke durch den Kopf spukt: Werdet aufmerksam und spürt diesem Gedanken mal nach!
Muss es wirklich ein „entweder - oder“ sein? Oder geht auch ein kreatives „und“?
Machen es sich Außenstehende vielleicht leicht, wenn sie zu Entscheidungen drängen? Zum „haben wir bisher immer so gemacht“, zu „das macht man halt so“…?
Das meint niemand böse! Allein das Bewusstsein, wieviel Kraft und Energie es für neurodivergente Menschen kostet, sich entscheiden zu müssen fehlt (noch oft).
(Auch hierzu findet ihr bereits Folgen in Blog und Podcast.)
Zudem die oft völlig anderen Wahrnehmungswelten und dadurch bedingte vermehrte Kraftanstrengungen für vermeintlich „völlig normale Alltagsdinge und -situationen“.
Werdet achtsam und kreativ im Finden von möglichen „Und-Lösungen“.
Bleibt neugierig!
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