Immer wieder kommen natürlich Fragen nach „DEM besten Konzept“, mit dem man Menschen im autistischen Spektrum am besten helfen könnte….
Aus 2 Gründen bleibe ich hier leider immer die Antwort schuldig.
Zum Einen ist „Autismus“ so unterschiedlich, dass es einfach nie „das Eine“ Konzept geben kann, welches im Handumdrehen „die Schwierigkeiten“ auflösen kann.
Denn:
Was genau sind denn „die Schwierigkeiten“?
Wer empfindet die sogenannten „Schwierigkeiten“ als Schwierigkeiten?
Wo liegen die Ursachen hinter den vermeintlichen „Schwierigkeiten“?
In einem Fall geht es vielleicht darum, dass das Kind nicht zum erwarteten Zeitpunkt allein auf die Toilette geht. In einem anderen Fall stört ein Kind immer wieder massiv den Unterricht. Beim nächsten Klienten führt ein nicht vorhandenes Gefahrenbewusstsein zu Problemen. Und der nächste ASS-Schüler dreht und reißt so sehr an seinen Haaren, dass mittlerweile schon kahle Stellen sichtbar werden. Große Sorgen macht auch immer wieder das Thema Essen, insbesondere, wenn ein Kind seine Auswahl der akzeptieren Lebensmittel massiv einschränkt… Ein autistisches Hortkind schlägt vielleicht scheinbar aus reiner Freude mit einem Stock den gerade aufblühenden Tulpen die bunten Köpfe vom Stengel. Und der Enkel einer Bekannten, noch nicht diagnostiziert, verschmiert den Inhalt seiner Windel an seinen Wänden, wenn er mal für einige Minuten nicht beaufsichtigt wird…
Ein „Gesamtkonzept“ kann es also nicht geben.
Aber auch Methoden, die sich einzelnen Themen innerhalb des Spektrums widmen, geraten schnell an ihre Grenzen.
Wir wünschen uns oft Handreichungen, in denen möglichst detailliert steht:
Woche 1, Tag 1: Tun Sie heute dies
Woche 1, Tag 2: Tun Sie heute das
Usw.
Solche Konzepte lesen sich oft gut… allerdings überholen sie an irgendeinem Punkt das Kind oder aber das Kind überholt das Konzept…
Das bedeutet, entweder braucht mein Kind für das Erlernen eines Zieles einfach länger und mehr Wiederholungen, als im Konzept vorgesehen, oder aber es ist in einigen Entwicklungsschritten bereits weiter als das Konzept und reagiert dann womöglich genervt auf die vorgesehenen Übungen.
Wer nun flexibel genug ist, kreativ für notwendige weitere Lerninhalte zu sorgen, oder an anderer Stelle unnötige Inhalte zu überspringen, sieht sich womöglich der Kritik ausgesetzt, dass man ja nur die versprochenen Erfolge erwarten darf, wenn man sich auch an das Konzept halte… tut man dies nicht, muss man sich über ein mögliches Ausbleiben der Erfolge nicht wundern… (ganz schön gemein…)
Ich arbeite daher lieber „multimodal“. Das bedeutet, dass ich Ansätze aus den verschiedensten Methoden auswähle. Ich nehme Übungen, die zum jeweiligen Zeitpunkt bestmöglich zu den Zielen für den jeweiligen Menschen passen. So werden z.B. Inhalte aus TEACCH gern verwoben mit Konzepten aus der progressiven Muskelentspannung oder auch musikpädagogische Ansätze mit unterstützter Kommunikation bildhaft verdeutlicht, uvm..
Ich bleibe hierbei immer meinen Grundsätzen treu:
Druckfreies Arbeiten (weniger ist mehr)
Klientenzentriert miteinander arbeiten
Authentisch sein
Tatsächlich waren diese 3 Grundsätzlichkeiten in all den langen Jahren immer wieder der Schlüssel für ein erfolgreiches Miteinander.
Denn meist kennen die Autisten und ihre Familien Stress, „von-oben-nach-unten“ und „das muss man so machen!“ schon zur Genüge.
Und häufig haben diese Ideen noch nicht zu den gewünschten Entwicklungen geführt.
Also bin ich stets immer wieder gern da, um etwas gänzlich Neues auszuprobieren. 😀 Gern abseits von „Du musst“, „Ihr solltet“, „Man tut dies“ und „Man tut das nicht“.
Und ja - manchmal mag das von außen auch ganz schön merkwürdig aussehen - aber ich kann immer sehr genau erläutern, was genau unser „roter Faden“, also unser individuelles Konzept ist und an welcher Stelle unserer Arbeit wir uns hier gerade befinden.
Wenn ich also auf einer Bank im Raum sitze und ein Buch lese, betreibe ich womöglich gerade eine Verlaufsdiagnostik.
Zwar halte ich ein Buch vor mich und blättere auch ab und an um - aber tatsächlich schaue ich über den Rand des Buches hinweg und beobachte einen neuen Klienten, wie er sich im für ihn noch unbekannten Therapieraum orientiert. Ich schaue, welche Spielzeuge seine Aufmerksamkeit anziehen, welche Art von Stimming er benutzt, wie die Bewegungsabläufe sind, wie er um Hilfe bittet (oder eben auch nicht), usw.. Durch das Buch und mein (an dieser Stelle) vorgegebenes literarisches Interesse, gebe ich dem Kind Raum. Ich stelle keine Bedrohung dar. Ich sitze sicher an einem Ort und stelle keinerlei Anforderungen. Allein, dass das Kind in diesem „neuen“ Raum mit all diesen neuen Gegenständen ist, mag zu diesem Zeitpunkt schon Herausforderung genug sein! Und dann auch noch ein fremder Mensch!
Die Mutter einer Klientin hat mal gesagt, ich wäre in diesen ersten Einheiten wie ein Wildtier-Fotograph. Die würden auch immer stundenlang getarnt auf der Lauer liegen, bis die Wildtiere Vertrauen fassen und sich langsam nähern, so dass man anschließend mit den schönsten Aufnahmen belohnt wird. 😊
Ich brauche diese erste Beobachtung-Zeit, denn nur so kann ich lernen, wie ich meinen Klienten einschätzen kann, wie ich helfen kann, was er zur Entspannung braucht, was für ihn interessant oder auch sehr anstrengend ist. Und dann können wir uns kennenlernen und miteinander arbeiten.
Und wie wir das dann tun - das ist so individuell, wie wir Menschen eben sind!
So gibt es für mich „leider“ nicht „Das Geheimprogramm“ oder „Die Wundermethode“.
Dafür aber jede Menge spannende Erlebnisse und kreative Lösungsfindungen!
In diesem Sinne:
Bleibt neugierig aufeinander! 🍀
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