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Janina Jörgens

Das Entscheidungs-Dilemma - Warum "einfache" Fragen manchmal gar nicht so leicht sind ...


Fragezeichen, mehrere Pfeile (Wege)


„Nein - das will ich nicht!“


Kinder aus dem autistischen Spektrum, insbesondere mit einer PDA (pathological demand avoidance), also pathologischer Anforderungs-Vermeidung, lehnen selbst bestgemeinte Angebote oft zunächst kathegorisch ab.


(Da das Thema PDA sehr umfangreich ist und zudem im deutschsprachigen Raum noch viel zu wenig Beachtung findet, wird es hierzu mit Sicherheit noch gesonderte Blog-Beiträge geben!)


Wenn wir also im Zusammenleben mit Autisten so oft ein initiales „Nein“ zu hören bekommen, gehen wir irgendwann einen anderen Weg. Wir versuchen z.B. die Entscheidung in die eigene Hand zu geben.


Das kann eine gute Idee sein.


Es können bereits im Vorfeld z.B. 4 verschiedene Spiele ausgewählt werden, die wir für förderlich erachten. Dann kann das Kind, der Schüler, der Klient „frei“ aus diesen Spielen wählen. Das Spiel, welches er nun selbst gewählt hat, sollte dann aber auch ohne „Meckerei“ gespielt werden. „Schließlich hast du es ja selbst ausgesucht!“


Manchmal klappt das…

Manchmal aber auch nicht… ;-)


Denn:

  • Die Kinder merken sehr genau, ob sie frei wählen dürfen oder ob eine Vorauswahl getroffen wurde.

  • Die Kinder merken sehr genau, ob man einfach „nur“ gemeinsam spielt, oder ob eine Aufforderung dahinter steckt („Spiele, die wir für förderlich erachten“).

  • Die Kinder merken sehr genau, ob sie tatsächlich eine freie Wahlmöglichkeit bekommen, oder ob damit etwas verknüpft wird („spielen ohne Meckerei“).


Und nun kommen wir noch zu einer weiteren möglichen Problematik:


Das Entscheidungs-Dilemma!


Oft habe ich beobachtet, dass die Klienten, die vor einer Entscheidung standen, diese nicht etwa als tolle Gelegenheit empfanden, sondern in großen Stress gerieten!


Eine Entscheidung zu treffen bedeutet für den Einen eine Freiheit! 

 „Ich entscheide mich hierfür!“


Eine Entscheidung zu treffen bedeutet aber möglicherweise für den Anderen etwas ganz anderes… Eher ein Urteil treffen zu müssen. Sich selbst möglicherweise Chancen zu verbauen. Das, wofür man sich nicht entschieden hat, nicht machen zu können/ dürfen…

 „Ich muss mich gegen viele andere Dinge entscheiden.“


Das kann zu Stress führen, zu Verzweiflung.

„Wie kann ich mich richtig entscheiden, wenn ich so wenig Zeit für eine Entscheidung habe?“

„Kann ich eine falsche Entscheidung treffen?“

„Kann ich das, wogegen ich mich entscheide, dann womöglich nie wieder spielen?“


Und so kann es passieren, dass ich ein gut gemeintes Entscheidungsangebot gemacht habe und nun vor einem überforderten, gestressten Kind stehe, was womöglich wütend wird und schimpft (fight), wegläuft (flight) oder emotional „einfriert“ (RW) (freeze)…


Dies passiert im Alltag so oft (die ungewollte Aktivierung des Fight-Flight-Freeze-Modus) - nicht nur bei Entscheidungsfragen.

Und es ist dann ein Missverständnis, welches sich schlimmstenfalls immer weiter aufbauscht…

Person A: „Nein“ 

Person B: „OK- dann gebe ich dir die Entscheidungsmöglichkeit“ 

Person A: -Fight-Flight-Freeze-Modus-

Person B: „Wie ich es mache, ist es falsch… ich komme mit dir einfach nicht klar…“

Person A: Selbst auf Person B kann ich mich nicht verlassen…


😢 


Wenn du also bemerkst, dass dein Gegenüber von Entscheidungen eher gestresst ist, versuche diese zu vermeiden oder „klein zu halten“.

  • Erst mal nur Entscheidungen zwischen 2 Items und hier nach Möglichkeit ein ganz Tolles und ein „Sicherlich nicht Gewünschtes“(Was genau „ganz toll“ und was „sicher nicht gewünscht“ ist, kann sehr unterschiedlich und manchmal auch überraschend sein! 😀)

  • Zeit geben, die Entscheidung zu treffen. (Auch vermeintlich „einfache“ Entscheidungen brauchen Zeit! Je unerwarteter das Angebot kam umso länger …)

  • Hilfen zur Entscheidungsfindung anbieten. (Die verschiedenen Möglichkeiten z.B. genau erklären, zeigen. Offene Fragen klären.)

  • Das „Entscheidungs-Dilemma“ ernst nehmen und nicht kleinreden! (Ganz, ganz wichtig!!!!!)

Auch hier hilft nur, es zu versuchen, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen.

Ja, das mag am Anfang vielleicht nicht einfach sein… aber es lohnt sich!


Ihr werdet hier im Blog auch weiterhin viele Beispiele bekommen, mit denen ich versuchen werde, euch die „Innenwelten“ von Autisten etwas näher zu bringen, verschiedene „Wahrheiten“ erkennen zu lernen, euch den Spaß am Suchen und Finden von neuen gemeinsamen Wegen wieder nah zu bringen.


In diesem Sinne:

Bleibt neugierig aufeinander. 🍀


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