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Janina Jörgens

Ist Autismus therapierbar?


Kind in Therapie


Eine vielleicht etwas provokante Frage… Ich finde sie allerdings sehr gerechtfertigt!

 

Denn: Autismus ist eine lebenslange Diagnose.

 

Wenn jemand Autist ist, zeigt er diverse Symptome, die je nach Person und Art der autistischen Ausprägung sehr unterschiedlich ausfallen können.

 

Den Autismus an sich kann man also nicht „weg therapieren“. Weder mit ausgeklügelten Therapiemethoden, noch mit Maßnahmen wie Neurofeedback, Nahrungsmittelergänzung, Chiropraktik, Sozialkompetenztraining, Reittherapie, Logopädie, Ergotherapie oder was auch immer.

 

ABER: Alle oben genannten Ansätze haben ihre absolute Daseinsberechtigung! Denn alle können helfen, die Symptome zu „verändern“, also bestenfalls den Umgang damit zu erleichtern o.ä., wenn eine entsprechende Kausalität vorliegt. 

 

Also:

 

Logopädie kann z.B. die Sinnhaftigkeit von Kommunikation zeigen und Möglichkeiten anbieten, in eine Kommunikation zu kommen, ggf. auch zunächst über ein individuell angepasstes Angebot von Symbolkarten, Gesten oder Gebärden. 

So erlangt der (bislang nicht-sprechende) Mensch aus dem AutismusSpektrum eine ganz neue Möglichkeit zur Teilhabe und wird insgesamt vielleicht zufriedener und damit automatisch ruhiger und ausgeglichener. Schließlich muss er Missempfindungen oder Bedürfnisse nun nicht mehr nur durch „Schreien“ anzeigen. Zudem kann er sich mitteilen und auf seine Bedürfnisse kann schneller reagiert werden, als wenn eine Begleitperson erst mal erraten muss, was sich hinter dem Schreien vielleicht verbirgt.

 

Nahrungsergänzungsmittel können helfen, mögliche Mangelzustände auszugleichen und dadurch Symptome zu verringern. 

Wenn z.B. durch eine eingeschränkte Nahrungsmittelakzeptanz oder ein Bevorzugen von abgedunkelten Räumen ein Vitaminmangel vorliegt, welcher zu Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Stimmungsschwankungen, usw. führt, ist all dies durch eine gezielte Supplementierung leicht zu beheben.

 

Gleiches gilt für die anderen, oben genannten Maßnahmen wie Neurofeedback, Chiropraktik, Sozialkompetenztraining, Reittherapie, Ergotherapie und alle anderen helfenden Angebote.

 

In Autismustherapiezentren wird daher häufig multimodal gearbeitet. Es finden sich dort häufig Therapeuten aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Je nach Haupt-Bedürfnissen der Klienten werden dann gemeinsam mit den Familien Ziele festgehalten, an denen im weiteren Verlauf gearbeitet wird.

Liegt der Schwerpunkt bei einem nichtsprechenden Kind z.B. auf der Kommunikationsanbahnung, wird ein Therapeut gewählt, der z.B. zusätzlich eine logopädische Ausbildung hat. Hat ein Klient hingegen neben dem Autismus oder durch den Autismus verursacht zusätzliche Schwierigkeiten wie Angst- oder Zwangsstörungen oder Suchtproblematiken, wäre ggf. ein Therapeut mit einer psychologischen Zusatzausrichtung hilfreicher.

 

Eine Autismustherapie therapiert also nicht den Autismus als solchen weg.

Auch dies ist eine Grundsätzlichkeit, welche in den Eingangsgesprächen zunächst geklärt werden muss. Die Klienten werden nicht zur Therapie abgegeben und sind dann, wie ein Auto in der Werkstatt, nach einer gewissen Zeit fertig „repariert“ bereit zur Abholung.

Autismustherapie ist daher für mich ein unglücklich gewählter Begriff. Ich selbst bezeichne mich daher auch lieber als „therapeutische Begleitung für Autisten und ihre Familien“. Das ist für mich stimmiger.

Denn häufig arbeite ich gar nicht in erster Linie mit dem Klienten… Oftmals steht eher die Arbeit mit den Eltern oder den Erziehern oder Lehrern im Vordergrund. Gerade bei jüngeren Klienten liegen die Probleme leider oft in den institutionalisierten Systemen und wir sehen sogenannte „Passungsprobleme“… Würde ich da „nur“ mit dem Klienten arbeiten… was soll ich erreichen?

Hat ein Klient hingegen womöglich Schwierigkeiten mit der Körperwahrnehmung, dann brauche ich die 1-zu-1-Situation in der Therapie, da wir dann Angebote machen, um z.B. gezielt an der Verbesserung des Gleichgewichtes oder der Toleranz bzgl. verschiedener Materialien zu arbeiten.

Wenn ich allerdings mit Teenies, jungen Erwachsenen oder Erwachsenen arbeite, dann wird die Arbeit eher mit dem Klienten selbst stattfinden. Dann besprechen wir tagesaktuelle Probleme, üben mögliche Handlungsalternativen ein, erproben live verschiedene Szenarien (wie z.B. einkaufen, Small Talk, Vorstellungsgespräche, Busfahren, etc.).

 

Therapie mit Autisten ist also:

  • Hilfreich und effektiv (Symptome werden gemildert, Wissen vermittelt, Akzeptanz gefördert)

  • Zielorientiert (die Zielsetzung erfolgt individuell, gemeinsam mit allen Beteiligten und wird immer wieder überprüft, denn: auch Ziele können sich ändern)

  • Inhaltlich absolut individuell anzupassen

  • Und niemals langweilig

 

Der Autismus wird lebenslang Bestandteil des Lebens sein, aber durch gezielte (therapeutische) Maßnahmen wird die Diagnose nicht das Leben bestimmen müssen. Ziel ist eine erfolgreiche Integration der Diagnose und der damit einhergehenden individuellen Symptome, so dass ein möglichst erfolgreiches, selbstbestimmtes und lebenswertes Leben möglich wird.

 

In diesem Sinne: Bleibt neugierig aufeinander!


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