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Janina Jörgens

Small Talk - Oh bitte nicht!


2 Frauen die miteinander reden


Viele meiner autistischen Klienten finden „Small Talk“ blöd, überflüssig, sinnlos.

 

Sie stellen - wie ich finde absolut berechtigt - die Frage nach dem „Warum?“.

 

Wozu ist Small Talk da? Menschen reden über völlig belanglose und uninteressante Dinge. Und das tun sie immer und immer wieder… Und immer wieder ohne Ziele, ohne Antworten, ohne Lösungsversuche, oft sogar ohne jegliche Variation… Und manchmal über erschreckend lange Zeiträume hinweg… Warum???

 

Small Talk dient in erster Linie dem Kontaktaufbau und auch der Kontaktpflege. 

Die Menschen wollen sich kennenlernen, sie wollen „ins Gespräch kommen“.

 

Ja - gut, aber warum machen sie das dann nicht gleich vernünftig? Warum fragen sie nicht gleich nach gegenseitigen Interessen, Hobbys, etc.?

 

Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung… „Das macht man halt so…“, bekomme ich oft zu hören, wenn ich genau diese Fragen selbst stelle.

 

Oder auch: „So direkte Fragen sind unhöflich.“

Leider kann einem niemand klar definieren, ab wann die Frage nach z.B. Hobbys als angemessen gilt… Das muss man immer wieder selbst herausfinden.

 

Wenn sich Menschen allerdings noch gar nicht kennen, beispielsweise an einer Bushaltestelle erstmalig aufeinandertreffen, und einer fragt: „Na, wie geht´s?“, dann möchte der Fragesteller gar keine echte Antwort mit sachlichen, vermeintlich durchaus interessanten Inhalten.

Er möchte sich vielleicht einfach nur nicht so allein fühlen, um 6.30 morgens, im Regen, übermüdet auf dem Weg zur Arbeit. Er möchte vielleicht eine Bestätigung, dass auch andere Menschen müde sind, das Wetter gruselig finden und eigentlich lieber gleich wieder nach Hause möchten.

 

Da gibt es den Spruch: „Geteiltes Leid ist halbes Leid!“

 

In diesem Beispiel will der Fragesteller also noch nicht mal sein Gegenüber wirklich kennenlernen. Es ist eine Zufallsbegegnung und wird es vielleicht auch bleiben.

Ein solches Gespräch endet oft auch ganz schnell wieder:

„Na, wie geht´s?“

„Naja - geht so!“

verlegenes lachen

„Bei dem Wetter sollte man besser gleich wieder ins Bett, was?“

„Ja - stimmt.“

Es gab Bestätigung, beide fühlen sich vielleicht ein wenig „verstanden“ und etwas weniger allein.

 

Und dann kommt schon der Bus und das Gespräch endet.

Völlig in Ordnung.

 

Neurotypische Menschen ticken halt in vielerlei Hinsicht anders… ;-)

 

Autisten und andere neurodivergente Menschen kommen viel schneller zum Wesentlichen, sind von vermeintlich sinnlosem Wortgeplänkel wie Small Talk höchstens maximal genervt.

 

Umso verblüffender ist die Beobachtung, dass sich viele neurotypische Menschen sogar stundenlang mit Small Talk beschäftigen können, zum Beispiel auf Partys.

Da wird mitunter über viele Stunden keinerlei sachlicher Inhalt ausgetauscht. Wenn man mal in die Gespräche bei den einzelnen Grüppchen hineinlauscht bleibt es fast überall bei oberflächlichen Themen. Wenn man im Nachhinein mal fragt: „Und, was hat die Frau erzählt?“ dann kommt als Antwort vielleicht: „Ach, alles mögliche!“, „Dies und Das.“ Oder sogar „Keine Ahnung!“…

 

WAAAAS?

 

Wozu dann? Völlig ineffektiv…Zeitverschwendung…

 

Hmm, sehe ich meistens genau so…

 

Allerdings sollten wir auch neurotypischen Menschen mit einer gewissen Akzeptanz, Geduld und vielleicht sogar Neugierde gegenübertreten.

 

Schließlich ist es das, was sich neurodivergente Menschen so oft wünschen würden!

 

Bleibt neugierig!

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