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Späte Autismus-Diagnosen bei Männern

Mann grübelt über Diagnose


So oft wird über spät diagnostizierte Frauen gesprochen. Tatsächlich fallen autistische Mädchen häufig durch die Diagnoseraster, welche ursächlich eher für und an Jungs entwickelt wurden. Zudem ist die Diagnose bei erwachsenen Frauen häufig schwieriger zu stellen, je effektiver sie in ihrem Leben gelernt haben, zu maskieren.

 

Aber was ist mit den Männern?

 

Noch vor wenigen Jahren wurde das Geschlechterverhältnis mit bis zu neun zu eins angegeben. D.h. auf neun Autismus-Diagnosen bei Jungs kam eine Autismus-Diagnose bei Mädchen.

Jahr um Jahr verschob sich jedoch dieses Verhältnis! Mittlerweile gibt es die ersten Studien, die keine Geschlechterunterschiede hinsichtlich der Autismus-Diagnose mehr feststellen.

 

Je besser die Diagnosekriterien werden, je feiner die Beobachtungen, je individueller die Interpretationen der Ergebnisse, umso mehr Diagnosen werden gestellt.

Bei Kindern wie bei Erwachsenen - bei Frauen wie bei Männern.

 

Die Männer, die ihre Autismus-Diagnose erst spät erhalten, sind - ähnlich wie bei den Frauen - oftmals Meister im Maskieren.

Ihr Autismus fiel bislang offensichtlich niemandem auf.

 

Der Hauptgrund des Maskierens bei Jungs und Männern ist oftmals derselbe wie bei Mädchen und Frauen.

Sie wollen dazugehören.

 

Selbst aktuellste Umfragen zu einem westlich geprägten Männerbild ergeben Antworten wie: stark, groß, gesellig, sportlich, Probleme lösen, Macher sein, der Erste, Beste, Stärkste, Klügste sein und so fort.

 

Jungs raufen mit ihren besten Freunden, Männer machen oft derbe und grobe Scherze mit ihren Kumpels, sie befinden sich gern in Gesellschaft, mögen den Wettkampf und so weiter.

 

Hmm… und was ist mit denen, die sensibler sind, stiller? Mit denen, die mehr nachdenken, grübeln, manchmal am Leben verzweifeln? Mit denen, die mehr Rückzug, mehr Pausen brauchen?

 

Sie werden oft und schnell Opfer von Spott und Häme. 

Schnell heißt es: „Na, du bist ja eine echte Heulsuse!“, „Stell dich nicht so an, du Mimose.“, „Jungs, weinen nicht!“ und so weiter und so fort.

 

Fühlt sich nicht gut an! Auf keinen Fall!

Also versucht man, dem offensichtlich geforderten Bild bestmöglich zu entsprechen. Womöglich erarbeitet man sich viele Anpassungen über kognitive Leistungen. Über ein aufmerksames Beobachten der Umwelt, über ein Kopieren der beobachteten Verhaltensweisen.

 

Das mag auch eine Zeit lang gut gehen.

Aber irgendwann wird das Maskieren anstrengend. Irgendwann werden die Fragen in der eigenen Person immer lauter: „Muss das so sein? Das bin doch nicht ich! Warum bin ich so anders? Warum schaffen die anderen scheinbar viel mehr und leichter?“

 

Die Kraft schwindet, die Selbstzweifel werden immer größer.

 

Also wird häufig erst mal noch mehr Kraft und Energie investiert, um sich selbst zu beweisen: „Ich kann alles schaffen!“

 

Der Terminkalender wird noch gnadenloser gefüllt - Hobbys, Freunde, Sport - weitere Projekte auf der Arbeit werden übernommen und vieles mehr.

Zeitgleich werden die eigenen Bedürfnisse nicht beachtet, sondern sogar im Gegenteil aktiv ignoriert - als zu weich, zu sensibel und sonstiges tituliert.

 

Dieser Raubbau am eigenen Selbst findet leider allzu oft sein Ende in Zusammenbrüchen. Hier werden oftmals zunächst ein Burnout oder Depressionen vermutet. 

Autismus kommt auch hier häufig erst als Zufallsdiagnose daher.

 

Auch hier dürfen wir hinschauen, auch diese Abläufe dürfen wir lernen wahrzunehmen.

Und vor allem dürfen wir anfangen, darüber zu reden und zu entstigmatisieren!

 

Denn so können wir es insbesondere Jungs und Männern oftmals leichter machen, oder gar erst ermöglichen, Hilfen anzunehmen! 

Doch dazu mehr in der nächsten Folge.

 

Bleibt neugierig!


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