Dein perfekter Rückzugsort
- Janina Jörgens
- 5. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Kannst du dich zurückziehen, wenn mal alles zu viel wird?
Für mich ist Rückzug ein ganz wichtiges Tool, um mich vor Überforderung zu schützen.
Ich habe verschiedene Rückzugsorte, welche ich im Akutfall oder auch präventiv gerne nutze.
Schon immer habe ich mir einen Strandkorb gewünscht.
Meine Mutter erfüllte mir diesen Wunsch vor zwei Jahren zu Weihnachten. Seitdem steht mein Strandkorb im Winter auf unserer überdachten Terrasse und im Sommer im Garten an einer abgelegenen Stelle, an der erst am Abend ein paar Sonnenstrahlen ankommen. Bis dahin steht er meist kühl und schattig.
In den Strandkorb ziehe ich mich nach langen Arbeitstagen gern zurück, um abzuschalten. Auch Mittagspausen verbringe ich gern dort. An Planungstagen, an denen es viel zu verschriftlichen gibt, tue ich auch das gerne in meinem Strandkorb. D.h. Arbeit und Erholung sind nicht ursächlich und strikt getrennt.
Dennoch empfinde ich den Strandkorb immer als effektivste Maßnahme, um mich selbst zu regulieren.
Es ist wichtig, dass er an Orten steht, die keine Durchgangsstation darstellen, die man also aktiv aufsuchen muss.
Die Menschen in meinem engsten Umfeld wissen, dass sie mich zu jederzeit dort finden und auch aufsuchen dürfen.
Dennoch ist ganz klar, dass dies mein Rückzugsort ist. Wenn ich mich also dort aufhalte, habe ich aktiv Ruhe gesucht. Ich stehe in diesen Momenten offiziell nicht zur Verfügung - was dankenswerterweise auch absolut akzeptiert wird.
In Zeiten, welche sehr stressig sind, oder in Momenten, in denen ich meine Kräfte (mal wieder) überschätzt habe, ziehe ich mich auch gern ins Bett zurück.
Das Schlafzimmer liegt ruhig und etwas abgeschieden, ich kann die Tür schließen und das Fenster verdunkeln. Wenn ich also mal einen sehr klaren Rückzug brauche und meinen Körper komplett runterfahren muss, dann ist dies für mich der richtige Ort.
Man kann jedoch fast überall kleine Rückzugsinseln erschaffen.
Eine meiner jüngeren Klientinnen, Lara, zehn Jahre, damalige Diagnose: frühkindlicher Autismus, erhielt beispielsweise ein Wurfzelt. Dieses stand stets zusammengeklappt im Wohnzimmer in einer Nische neben dem Schrank.
Die ganze Familie, Lara, ihre kleine Schwester, ihre Eltern und auch ihre Großeltern wussten um dieses Wurfzelt Bescheid. Sobald Lara Stress-Anzeichen zeigte und ein Rückzug sinnvoll schien, ging sie zum Schrank, zog das Zelt heraus, warf es in das Wohnzimmer und legte sich hinein. Wenn Lara selbst keinen Zugriff mehr auf diese Idee hatte, sich ihr Zelt zu holen, genügte oft ein Fingerzeig der Angehörigen in Richtung Schrank und Lara machte sich auf den Weg.
Das Aufploppen des Zeltes war sehr laut. Das mussten wir zu Beginn erst ein wenig üben, damit sich Lara nicht zu sehr erschreckte.
Tatsächlich war es schließlich so, dass Lara mitunter einfach aufgrund des Geräusches ihres Zeltes Stress abbauen konnte. So nahm sie das Zelt manchmal mit in ihr Zimmer und warf es einfach ein paar mal in ihrem Zimmer herum, ließ es aufploppen, faltete es wieder zusammen und brachte es schließlich wieder zurück ins Wohnzimmer an seinen festen Platz.
Ein Rückzugsort kann auch eine Ecke in einem Zimmer sein, ausgepolstert, mit vielen weichen Kissen und dekoriert mit Lichterketten mit warmen Licht.
Manche Menschen mögen es, wenn Fidget Toys dort bereit liegen, andere bevorzugen eine klare Struktur. Hier würden vielleicht auch Kissen ablenken. Dann wäre eine einfache Matratze vielleicht in diesem Fall die bessere Idee.
Mein mobiler Rückzugsort war immer mein Auto. Ich bin nie gern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und war so schon früh stets mit dem eigenen Auto unterwegs. Wenn ich eine Pause brauche, ziehe ich mich gern in mein Auto zurück, komme dort zur Ruhe und starte gekräftigt einen möglichen neuen Anlauf.
Für Kinder kann der eigene Kinderwagen einen solchen Rückzugsort darstellen. Wenn der Kinderwagen irgendwann zu klein wird, kann ein Bollerwagen eine gute Alternative darstellen.
Seid kreativ, was euren eigenen Rückzugsort angeht.
Findet heraus, was eurem Nervensystem hilft, sich zu regulieren.
Gelingt dies am besten bei gedimmtem Licht? Bei kühleren Temperaturen? Schaukeln? Benötigt ihr eure Fidget-Toys, wenn ja, welche? Bevorzugt ihr einen höhlenartigen Rückzug, darf es also etwas enger sein, geeignet nur für euch, also nur für eine Person? Braucht ihr absolute Stille oder ist ein wenig leise Musik sogar besser?
Stellt euch all diese Fragen in aller Ruhe und dann werdet kreativ, wie euer perfekter Rückzugsort aussehen könnte.
Oder habt ihr ihn schon gefunden?
Erzähl mal! Wie sieht dein Rückzugsort aus?
Bleibt neugierig!








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