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Essen als Stimming

Janina Jörgens

Aktualisiert: 23. Feb.




Oft hören wir von Problemen mit der Nahrungsaufnahme bei Autistinnen und Autisten. 

Meistens geht es hier um Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme.

Die Auswahl an akzeptierten Nahrungsmitteln wird zum Teil extrem eingeschränkt, die Settings, in denen gegessen werden kann, müssen penibel eingehalten werden.

 

Die Angst und Sorge vor Mangel- und Fehlernährung ist allgegenwärtig.

 

Doch, mitunter wird Essen auch als Stimming eingesetzt. Hier ist die Problematik, dann eine grundsätzlich andere, gegebenenfalls aber nicht weniger gesundheitsgefährdend.

Schnell entwickelt sich auch hier nebst einer Fehlernährung ein womöglich gravierendes Übergewicht, mit all seinen möglichen Folgen.

 

„Binge Eating", also ein „ zu viel“ beziehungsweise „endloses“ Essen kann vielfältige Ursachen haben.

 

Es kann eine Folge von Masking sein.

Nahrungsaufnahme in Gesellschaft ist üblich. Denken wir an Restaurants, Bistros und Kantinen. Hier wird nicht nur notwendige Nahrung konsumiert. Es wird sich unterhalten, Pläne geschmiedet, Freundschaften gepflegt, etc. 

Wer nun vielleicht Schwierigkeiten im sozialen Miteinander hat, oder mit Smalltalk seine kleineren oder größeren Probleme hat, kann sich durch den Vorgang des Essens aus Gesprächen sozial akzeptiert, heraushalten, denn: „Mit vollem Mund spricht man nicht!“

 

Vielleicht wurde man auch in der Kindheit von Oma für ein gutes Essverhalten belohnt und gelobt. Das hat sich gut angefühlt. Diese Emotionen wurden womöglich mit dem Essen an sich verbunden. Somit fühlt sich der Vorgang der Nahrungsaufnahme dann im späteren Leben “gut“ an, er beruhigt und gibt Sicherheit.

 

Möglicherweise wird aber auch „einfach gern“ gegessen, weil es sich gut anfühlt. Es schmeckt gut, der Kauvorgang ist rhythmisch, man hat seine Ruhe - denn: „Beim Essen stört man nicht!“.

 

In einer Welt, welche viele Unplanbarkeiten für Autisten und Autistinnen bereithält, ist Essen manchmal auch ein wohltuendes Ritual.

Zu einer bestimmten Zeit gibt es von einem bestimmten Geschirr ein bestimmtes Essen.

 

Als Safe-Food werden oftmals hochverarbeitete Lebensmittel gewählt, wie z.B. Chicken-Nuggets oder Cracker. Auch stark zuckerhaltige Speisen und Getränke stehen oft ganz oben auf der Liste der Lieblingsnahrungsmittel…

Verständlich, denn industriell gefertigte Lebensmittel, Convenience- oder auch Junk-Food, schmecken immer gleich. Hier sind keine Variationen zu erwarten. Und Zucker? Der lässt den Dopaminspiegel schnell und unkompliziert ansteigen.

 

Egal, ob jemand mit essen versucht, Langeweile zu bekämpfen, seine Stimmungslage zu verbessern, unangenehmen Dingen wie z.B. sozialem Geplänkel aus dem Weg zu gehen, ein „Zuviel“ an Reizen zu unterdrücken bzw. mit anderen Reizen zu „überschreiben“…

 

Es zu verbieten oder einzuschränken kann nicht der alleinige und richtige Weg sein!

 

Wie bei anderen Stimming-Methoden auch, sollte zunächst die Ursache hinter dem gezeigten Verhalten erörtert werden.

Erst danach können entweder notwendige Anpassungen im Außen erwogen oder ein alternatives Stimming angeboten werden.

 

Ein Verbot ist nicht hilfreich. Es würde nicht nur den notwendigen Stressabbau verhindern, sondern zusätzlichen Stress provozieren.

 

Diese Detektivarbeit kann sehr mühsam sein, aber sie lohnt sich!

 

Essen sollte nie ein „Muss“ und auch nie ein „Darf nicht“ sein.

 

Bleibt neugierig.

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