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Setze Prioritäten! Warum die „üblichen“ Tipps so oft nicht hilfreich sind…

Viele Post-its


Warum fällt es vielen Menschen so schwer, Prioritäten zu setzen?

Tatsächlich hat jeder andere Grundvoraussetzungen. Wie immer.

Ebenfalls wie immer macht es einen Unterschied, ob ein neurotypischer Mensch versuchen möchte, seine Prioritätensetzungen zu optimieren oder eben ein Mensch mit Neurodivergenzen, wie zum Beispiel Autismus, ADHS oder Ähnlichem.

 

Ziehen wir die künstliche Intelligenz zu Rate, ohne konkrete Angaben über die neuronale Grundbeschaffenheit des Fragenden anzugeben, werden folgende Tipps ausgeworfen:


______________


1. Aufgaben auflisten: 

Erstelle eine Übersicht aller Aufgaben, die erledigt werden müssen. Das gibt dir eine klare Übersicht.


2. Wert und Dringlichkeit bewerten: 

Nutze Methoden wie die Eisenhower-Matrix, um Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu sortieren:  - Wichtig & Dringend  - Wichtig, aber nicht Dringend  - Dringend, aber nicht Wichtig  - Weder Dringend noch Wichtig


3. Setze klare Ziele: 

Definiere, was du erreichen möchtest, um besser einschätzen zu können, welche Aufgaben Priorität haben.


4. Zeitplanung: 

Schätze den Zeitraum für jede Aufgabe realistisch ein und plane entsprechend. Priorisiere die wichtigsten Aufgaben für die Zeiten, in denen du am leistungsfähigsten bist.


5. Lerne Nein sagen:

Manchmal ist es notwendig, weniger wichtige Aufgaben abzulehnen, um den Fokus auf die Prioritäten zu legen.


6. Vermeide Multitasking: 

Konzentriere dich auf eine Aufgabe nach der anderen, um bessere Ergebnisse zu erzielen.


7. Regelmäßige Überprüfung: 

Beurteile regelmäßig, ob deine Prioritäten noch aktuell sind und passe sie bei Bedarf an.


8. Geduld und Übung: 

Das Setzen von Prioritäten ist eine Fähigkeit, die mit der Zeit besser wird. Sei geduldig mit dir selbst und übe regelmäßig.


_______________(Quelle Nova)

 


Klingt schon ganz gut, oder?

Die künstliche Intelligenz bietet auch an, die hier vorgeschlagenen Inhalte bei Bedarf genauer zu erläutern, was sicherlich an einigen Punkten sehr sinnvoll sein wird!

 

Was jedoch bedeuten diese Tipps für neurodivergente Menschen?

Hier zeigen sich wieder einige der so genannten „unsichtbaren Barrieren“…

 

Wir schauen uns mal nur den ersten Punkt etwas genauer an…

 

„1. Aufgaben auflisten: 

Erstelle eine Übersicht aller Aufgaben, die erledigt werden müssen. Das gibt dir eine klare Übersicht.“

 

Vor allem stellen sich sicher dem Einen oder der Anderen hier direkt mal einige Fragen…

  • Welche Aufgaben müssen erledigt werden?

  • Welche Aufgaben müssen von mir erledigt werden?

  • Alle Aufgaben? Die bisher unerledigten, die aktuellen und die, die auf mich zukommen werden? Die kenne ich doch noch gar nicht alle… also kann ich diese Liste nicht anfangen…

  • Gilt „Betten machen“ als „Aufgabe?

  • Und was ist mit dem Klimawandel… so viele unerledigte Aufgaben.

  • Und so weiter…

 

Zwei Szenarien wären nun denkbar.

Entweder “sieht“ die betroffene Person aktuell nur eine Aufgabe und schreibt diese auf. Zum Beispiel: „Zur Arbeit gehen.“ Dies mag die Aufgabe sein, die jetzt gerade im Moment aktuell und dringlich erscheint. Dass nebendran der Mülleimer überquillt, die Steuerunterlagen zusammengesucht werden müssten, das Badezimmer geputzt werden muss, der Kühlschrank bedenklich leer ist und Oma am Sonntag Geburtstag hat und ich für den Kuchen zuständig bin… Alles dies ist gerade aktuell möglicherweise nicht im Sichtfeld der betroffenen Person, findet also auch nicht seinen Weg auf das Aufgabenblatt.

 

Oder die betroffene Person sitzt nun vor einem Blatt Papier, welches sich Zeile um Zeile füllt. Es entwickelt sich zu einer Mammut-Aufgabe. Alles, aber wirklich alles scheint notierenswert. „Bücherregal abstauben, Bücher abstauben, Bücher zu Ende lesen, Bücherliste weiterführen, Bücher nach Farbe sortieren - oder besser nach Autor, oder Fachgebiet, oder Thema oder Verlag…? - Scharnier im Bücherregal festschrauben,…“ und so weiter…

Eine „klare Übersicht“ ist in beiden Fällen am Ende nicht wirklich gegeben.

 

Ebenso wären die weiteren Punkte der KI-Tipps gegebenenfalls hinfällig. Denn wie sollen die aufgeschriebenen Aufgaben (und vor allem, welche von denen?) sinnvoll in die Eisenhower-Matrix (diese werden wir an anderer Stelle nochmal gesondert vorstellen) sortiert werden? Wessen Maßstäbe von „wichtig“ und „dringend“ sollen hier in welcher Form angewandt werden?

 

Oder Punkt drei: „Setze klare Ziele“. Wenn ich wüsste, was ich erreichen wollte und könnte, würde ich es einfach tun… Gefühlt hätte ich dann diese Probleme mit den Prioritäten doch nicht, oder?Die Zeitplanung. Diese wirft Menschen mit einer Zeitblindheit vollkommen zurück. Natürlich ist die Idee, Aufgaben hinsichtlich ihrer Dauer zu sortieren, eine gute Idee.

Wenn ich in der Arbeit mit meinen Klienten und Klientinnen allerdings am Thema „Prioritäten“ angekommen bin, ist der Satz, den ich am häufigsten höre: „Ach das mache ich mal eben!“, selbst wenn eine der geplanten Aufgaben gerne mal einen halben Tag in Anspruch nehmen dürfte…

 

Punkt 5: Lerne nein sagen… Ja, klingt gut, ist insgesamt auch eine sehr gute Idee, gelingt jedoch Menschen, die in ihrem Leben bereits viel Ablehnung erfahren und gelernt haben, womöglich nur über ein“ Funktionieren“ akzeptiert zu werden, auch nicht „mal eben so“.

 

Multitasking zu vermeiden, ist der Tipp Nummer sechs. 

Viele meiner Klienten und Klientinnen können jedoch nur so ins Tun kommen, wenn sie mehrere Aufgaben in Bearbeitung haben. Entweder erhöht es den Dopaminlevel auf die erforderliche Menge, um in die Arbeit zu kommen, oder es kann sinnvoll sein, verschiedene Aufgaben zeitgleich zu erfüllen, um zwischendurch von der einen Aufgabe in die andere zu wechseln. Es kann hilfreich sein, zwei Aufgaben zu bearbeiten, von denen die eine z.B. eher körperlicher und die andere eher mentaler Natur ist, denn viele neurodivergente Menschen haben Schwierigkeiten mit normalen Pausenstrukturen. Sie arbeiten vielleicht lieber verschiedene Aufgaben nacheinander ab, da eine „wirkliche“ Ruhepause sie soweit zurück fährt, dass ein gefühlter Neustart umso schwieriger wird.

 

Bleiben zum guten Schluss noch die Tipps der „regelmäßigen Überprüfung der eigenen Prioritäten“ und „Geduld und Übung“. 

Hier drehen wir uns allerdings im Kreis, wenn bereits Punkt eins Schwierigkeiten mit sich bringt…

Und Geduld und Übung… Könnt ihr das? Zu meinen Kernkompetenzen gehört es meistens leider nicht. ;-)

 

Prioritäten setzen ist wichtig, um nicht ständig gefühlt am eigenen Alltag zu scheitern. Allerdings müssen die Ideen und Tipps für neurodivergente Menschen angepasst und neuroaffirmativ gedacht werden!

 

Wir werden in der nächsten Zeit einige dieser Ideen mit euch teilen.

 

Was habt ihr denn schon für hilfreiche Ideen für euch entwickelt?

 

Bleibt neugierig!


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